Das Leuchten der Insel
nur ein Mal.«
Er sah ihr in die Augen. »Es tut mir leid. Du warst so verärgert darüber, hierher zu ziehen …«
»Wage es nicht, mir die Schuld dafür zu geben«, schnitt sie ihm das Wort ab. Die Wut, die während all der ersten Monate auf der Insel in ihr geschwelt hatte, flammte auf und drohte ihr die Luft zu rauben. Sie bekämpfte den Drang, sich erneut zu übergeben. »Ich werde morgen mit dem Postschiff abreisen.«
Und genau das tat sie. Sie packte ihre Sachen und schrieb Anleitungen für die manuelle Wachmaschine und die Druckpumpe und andere Sachen, die zu ihrem Aufgabenbereich gehört hatten. Bill fuhr sie schweigend zur Anlegestelle. Sie blickte nicht zurück, als das Postschiff abfuhr, sondern übergab sich über die Reling, sobald sie um Crane’s Point gefahren waren.
Bobbie holte sie vom Fährhafen in Anacortes ab und nahm sie mit in das Haus, in dem sie mit Dick und ihrer kleinen Tochter wohnte. Sie äußerte kein einziges Mal: »Ich habe es dir doch gesagt.«
Während der nächsten zwei Monate stand Betty jeden Morgen auf und kreiste Anzeigen unter der Rubrik »Aushilfe gesucht« ein, und dann zog sie Bobbies elegantes Tweedkostüm und ihre schwarzen Pumps an und nahm den Bus in die Stadt zu ihren Vorstellungsgesprächen. Aber immer wieder bekam sie Absagen.
»Es gibt nicht mehr viele Stellen für Frauen«, sagte ein Mann. Es sah auf ihre linke Hand, an der sie noch immer den schmalen goldenen Ring trug, den Bill ihr gegeben hatte. Der Mann sagte nichts, aber Betty wusste, was er dachte: Warum suchte eine verheiratete Frau eine Stelle? Was stimmte da nicht mit ihrem Ehemann oder mit ihr?
Zum ersten Mal in ihrem Leben verlor das Essen für sie jeden Reiz. Bobbie war eine hervorragende Köchin und bereitete die Dinge zu, von denen sie wusste, dass es Bettys Lieblingsspeisen waren: Lasagne und Knoblauchbrot und siebenbödige Schokoladentorte. Aber der Geruch des Knoblauchbrots drehte ihr den Magen um, und die Torte schmeckte in ihrem Mund sauer. Sie nahm ab und musste den Bund von Bobbies Rock feststecken, bevor sie zu ihrem Vorstellungsgesprächen ging.
Drei Wochen, nachdem sie ihn verlassen hatte, erschien Bill mit dem Hut in den Händen auf der Eingangstreppe, bereit, Bobbies Zorn über sich ergehen zu lassen. Aber Bobbie öffnete noch nicht einmal die Tür, weil sie fürchtete, jede Selbstbeherrschung zu verlieren und ihn durchzuprügeln. Betty hörte seine flehentliche Stimme durch die Tür. Er bitte nicht um Vergebung, sagte er, oder gar darum, dass Betty zurück zu ihm nach Sounder komme. Er wolle ihr lediglich sagen, dass es ihm leid tue und dass er auf sie warten werde, solange sie brauche, um zurückzukommen, selbst wenn es Jahre dauern sollte, und dass er alles ihm Mögliche tun wolle, sie in der Zwischenzeit zu versorgen.
Er hinterließ zwei Dutzend Eier auf der Veranda.
Betty hätte sich dafür verfluchen können, dass sie so eine verdammte Närrin gewesen war, aber das tat sie nicht. Ihre Liebe zu Bill hatte von Anfang an sehr wenig mit Vernunft zu tun gehabt, und sie sah keinen Sinn darin, sich dafür zu schelten, dass sie sich verliebt und anschließend ihr Bestes für ein Gelingen der Beziehung versucht hatte. Aber sie hatte Angst vor der Zukunft, weil sie nicht ewig bei Bobbie wohnen konnte und wusste, dass Bill außer dem Geld, das er in die Farm gesteckt hatte, nichts besaß. Er konnte ihr jeden Tag zwei Dutzend Eier bringen, aber das würde nicht reichen, um die Kosten für ihre Kleidung oder Schuhe oder Lebensmittel oder Miete zu decken.
Außerdem fühlte sie sich schrecklich. Die Stärke und Lebenskraft, die sie auf Sounder entwickelt hatte, schrumpften mit ihrem Gewicht, und sie schleppte sich jeden Morgen aus dem Bett und versuchte, den Tag durchzustehen, ohne sich auf den Boden zu legen und einzudösen. Sie ging zu ihren Vorstellungsgesprächen und half Bobbie bei der Versorgung des Babys, beim Einkaufen und Kochen. Eines Tages schließlich sah Bobbie sie an und sagte: »Morgen bringe ich das Baby zu Dr. Kositch, und dich nehme ich ebenfalls mit.«
Die Diagnose von Bobbies Arzt fiel dann ganz anders aus, als Betty vermutet hatte, weil sie ihre Abgespanntheit, den ständigen galligen Geschmack in ihrem Mund und ihren fehlenden Appetit auf das Trauma zurückgeführt hatte, das sie durch ihren Bruch mit Bill erlitten hatte. Aber tatsächlich war sie schwanger.
Sie beschloss sofort, Bill nichts zu sagen, weil sie annahm, dass ihre Schwangerschaft so enden würde wie
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