Das Leuchten der Insel
gestemmt, zurückgetreten, um sie zu betrachten. Diese kleinen Skulpturen waren schmal und sicher, wie ihr ganzes Leben. Sie wollte etwas Großes, Kühnes und Ausdruckvolles schaffen, das ganz anders war als sie und ihr Leben in Tilton.
»Mögen Sie uns denn etwas über Ihr Projekt erzählen?«, fragte Jim.
»Ich mache eine Vogelscheuche aus weggeworfenen Metallteilen«, antwortete Susannah.
Barfuß hob seine buschigen Brauen.
»Gute Idee«, sagte Jim. »Die Krähen sind ständig in unserem Getreide.«
»Das Problem ist nur, dass ich nicht weiß, ob meine Vogelscheuche wirklich furchterregend ist«, sagte Susannah und kicherte. »Eigentlich ist sie eher vogelfreundlich. Ich glaube nicht, dass man sie als ›vogelverscheuchend‹ bezeichnen kann.«
Katie warf ihr einen irritierten Blick zu.
»Dann wäre sie im Grunde genommen eine ›Krähenmutmacherin‹«, meinte Jim.
»Ja!«, rief Susannah. »Ganz genau. Aber ich weiß nicht, wem sie tatsächlich Mut macht – dem Farmer oder den Krähen.« Sie dachte darüber nach. Machte die Vogelscheuche dem Farmer Mut? Oder machte die Vogelscheuche den Krähen Mut? Es schien ziemlich kompliziert zu sein.
» Mom. «
Der eindringliche Ton in Quinns Stimme ließ Susannah aufblicken.
»Mom, ich rede schon seit etwa zehn Minuten mit dir«, sagte er. »Ich geh’ jetzt mit Toby spazieren, nach unten an den Strand, okay?«
Susannah nickte. »Ja. Aber geh nicht im Dunkeln auf den Anlegesteg.«
Toby bellte bei der Erwähnung seines Namens, und Quinn ging zur Tür mit dem Hund an seinen Fersen.
»Willst du nicht noch auf den Nachtisch warten?«, fragte Betty. »Ich glaube, ich habe gehört, dass jemand etwas von Törtchen sagte.«
»Ich mag keine Schokolade«, entgegnete Quinn. »Und Katie hat natürlich Schokoladentörtchen gemacht. Jemand andres kann meins haben.« Er verschwand durch die Tür.
Barfuß fing Susannahs Blick auf. »Toby wird auf ihn aufpassen, keine Angst«, versicherte er. »Der klügste Hund, den ich je gehabt habe.«
»Ich hol’ die Törtchen«, sagte Katie und stand vom Tisch auf, um gleich darauf mit den auf einer leuchtend orangefarbenen Platte aneinandergereihten Törtchen wieder zu erscheinen. Sie hatte Susannah eins zum Probieren gegeben, während sie mit dem Pick-up zum Waschsalon gefahren waren. Aber als Katie den Tisch erreichte, stolperte sie über den geflochtenen Läufer und stürzte. Dabei ließ sie die Platte fallen, sodass die Törtchen über den Boden verstreut wurden.
»O nein, das tut mir leid!«, rief Katie. »Die sind hin, wir können sie nun nicht mehr essen.«
Sie begann, die Fragmente der Törtchen einzusammeln und auf die Platte zu legen.
»Woher hast du die?«, fragte Barfuß und erhob sich.
Katie sah ihn an und erwiderte mit seltsam zittriger Stimme: »Ich habe sie gemacht. Heute Morgen, während meine Mom hier die Wäsche gewaschen hat.«
Barfuß bückte sich und hob eins der Törtchen vom Boden auf. »Sie sehen ziemlich genauso aus wie die Törtchen, die ich gestern gebacken habe. Die Törtchen, die du auf meiner Theke gesehen hast und die anzurühren ich dir verboten habe.«
»Das sind sie nicht!«, widersprach Katie. »Ich habe sie gemacht.«
Barfuß steckte einen Finger in die Glasur und leckte ihn ab. Er riss die Augen auf und packte Katies Schulter.
»Das sind meine Törtchen, du verlogene kleine Närrin! Oder willst du mir etwa weismachen, dass dir spontan ein identisches Rezept für eine Glasur aus Schokolade mit Lavendel und Thymian eingefallen ist? Was zum Teufel ist los? Du weißt, dass die nicht für dich waren. Diese Törtchen waren für jemand anders bestimmt!«
Katie starrte ihn an. Alle am Tisch starrten ihn an. Barfuß murmelte etwas vor sich hin, während er die Törtchen einsammelte und sie zu einem krümeligen Stapel auf der Platte anhäufte. Dann stand er auf und schleuderte alles in den offenen Kamin. Die Platte knallte gegen die Rückwand des Kamins, und die süße Glasur erzeugte ein zischendes Geräusch, als die Törtchen in den Flammen landeten.
»Mein Gott, Barfuß!«, rief Betty.
»Die waren nicht zum Verteilen gedacht!«, erklärte er und sah Katie mit zornfunkelnden Augen an. »Und du weißt das. Du bist gefeuert!«
»Wo liegt das Problem?«, fragte Jim.
»Das weiß ich nicht«, antwortete Barfuß, der Katie noch immer anstarrte. »Aber es stinkt wie verfaulender Seehund. Ich habe einen Freund auf Orcas, der an multipler Sklerose leidet – Walter Katz, ihr kennt ihn vielleicht.
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