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Das Leuchten der Orchideen: Roman (German Edition)

Das Leuchten der Orchideen: Roman (German Edition)

Titel: Das Leuchten der Orchideen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Di Morrissey
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kurzer Krankheit ganz unerwartet verstorben, wobei er ja kein junger Mann mehr war. Aber die Hauptsache ist, dass er nicht leiden musste. Natürlich hat er seinen ganzen Besitz Mutter hinterlassen, und ich nehme an, dass Du damit einverstanden bist. Mutter wird in unserem Haus wohnen bleiben und lässt Dich herzlich grüßen. Sie hofft, dass Du Deinen Vater als den guten Menschen in Erinnerung behältst, der er war.
Margaret
    Bette merkte, dass ihr Tränen über die Wangen liefen. Sie trauerte um ihren Vater, wurde aber auch von Gewissensbissen gequält, weil sie ihre Eltern nie besucht hatte. Und sie war gekränkt, weil man sie so beiläufig von seinem Tod und der Beerdigung in Kenntnis gesetzt hatte.
    »Lies mal, was meine Schwester schreibt.« Sie reichte Tony den Brief. »Ist Margaret nicht unmöglich?«
    »Es tut mir leid, Liebling. Ich weiß, dass du gern einen Besuch zu Hause machen wolltest.«
    »Das hier ist mein Zuhause!«, entgegnete Bette erbittert. »Mit wem Margaret wohl gesprochen hat?«
    »Spielt das eine Rolle? Zumindest sind sie und Caroline in Brisbane, so dass sich jemand um deine Mutter kümmert. Aber du hast recht, sie hätte nachdrücklicher versuchen sollen, dich zu erreichen«, sagte Tony.
    Bette nickte. »Ich frage mich, ob sie Philip Bescheid gesagt hat. Nicht dass er seinen Großvater überhaupt gekannt hätte.« Doch dann schob sie alle Gedanken an ihre Schwester beiseite und hing Erinnerungen an ihren Vater nach.
    »Er war ein schweigsamer Mann. In seiner Generation sprachen Männer nicht viel. Außer man erwischte sie unter vier Augen. Mutter konnte ein bisschen herrisch sein. Sie hatte zumindest zu Hause das Heft in der Hand, aber wenn es um Dinge ging wie Geld ausgeben, wegfahren, wichtige Entscheidungen treffen, da hatte Vater immer das letzte Wort. Ich erinnere mich noch an einen Urlaub, in dem wir ein Ferienhäuschen gemietet hatten und er uns nachts zum Garnelenfangen und Fischen mitnahm. Am Strand machten wir ein kleines Feuer. Mutter war überzeugt, dass uns die Brandung in der Dunkelheit davonspülen oder ein Hai an den Knöcheln packen würde, sie weigerte sich schlichtweg, nachts an den Strand zu gehen. Und Margaret war die Dunkelheit unheimlich, deshalb ging sie zum Häuschen zurück. Vater fing ein paar kleinere Fische, die wir über dem Feuer brieten, bevor wir das Fleisch von den Gräten zupften. Es schmeckte herrlich. Dabei taten wir so, als ob wir Schiffbrüchige wären.« Bette lächelte. »Auch als ich schon älter war, hoffte ich manchmal, dass mein Vater wieder einmal mit mir an den Strand gehen würde, aber es hat sich nie wieder ergeben.«
    »Du hast schöne Erinnerungen. Er war also freundlich und liebevoll«, sagte Tony.
    Bette richtete sich auf. »Ja, ich glaube schon. Einmal erklärte er, er sei stolz darauf, was ich für Philip getan hätte. ›Du kommst in dieser Welt gut zurecht, Bette‹, hat er immer gesagt.«
    »Behalte das in Erinnerung«, sagte Tony leise.
    »Ich hätte sie doch einmal besuchen sollen. Trotzdem kann ich Margaret nicht verzeihen, dass sie sich so wenig Mühe gegeben hat, mich zu benachrichtigen. Als wäre er nicht auch mein Vater gewesen. Als hätte sie es darauf angelegt, mich zu verletzen.« In ihren Augen spiegelten sich Wut und Schmerz. »So abwegig das auch klingt, aber sie wird mir wohl nie verzeihen, dass ausgerechnet ich ihren Sohn gerettet habe.«
    Tony nahm sie in den Arm. »Bette, es tut mir leid, dass du nicht am Sterbebett deines Vaters gesessen und die Beerdigung versäumt hast. Aber du weißt jedenfalls, dass er dich vergöttert hat.«
    Bette barg den Kopf an seiner Schulter und weinte. Dann blickte sie zu ihm auf. »Du wirst mich nie verlassen, nein?«
    »Nein.« Tony küsste sie. »Du bedeutest mir mehr als mein Leben.« Er strich ihr übers Haar. »Ich werde immer für dich da sein, und wenn ich nicht mehr hier sein kann, wird mein Geist über dich wachen und dir nahe sein.«
    Bette spürte, wie Ruhe und Wärme sie durchströmten. Langsam atmete sie tief durch und genoss die heilende Wirkung. »Ist das etwas Buddhistisches?«
    »Nein, nur ein Tony-Tsang-Zauber. Weil du und ich eins sind«, sagte er leichthin.
    Bette lächelte. Ein wohliges Gefühl des Friedens überkam sie. Was auch geschehen mochte, Tony würde immer für sie da sein.

    Im Land gab es große Veränderungen. 1957 wurde die Föderation Malaya von Großbritannien unabhängig. Dennoch blieb Bettes und Tonys Glück ungetrübt, und auch Tonys Geschäfte

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