Das Leuchten der Orchideen: Roman (German Edition)
Umstände zu schaffen, doch es amüsierte ihn, wie wohl sich Bette in dem Kanu mit dem klobigen Außenbordmotor fühlte, das Leonard in halsbrecherischem Tempo steuerte. Sie legten an einem kleinen Steg am Rand des Dschungels an, überquerten den sumpfigen Uferstreifen und wanderten zum Camp Salang. Auf der kleinen Lichtung standen Zelte, eine Hütte, Käfige und eine Fütterungsplattform für die Orang-Utans. Zwei Iban-Frauen brachten den Menschenaffen jeden Tag Früchte. Und eine junge Deutsche machte Aufzeichnungen und Fotografien und erstellte eine Statistik zum Kommen und Gehen der Primaten.
»Das ist Pionierarbeit«, erklärte Leonard Tony und Bette. »Aber es macht mich auch traurig. Denn ich fürchte, eines Tages haben diese Orang-Utans keinen Lebensraum mehr.«
»Aber hier ist doch unendlich viel Dschungel!«, rief Bette.
»Leider wird er jeden Tag ein Stück kleiner«, erwiderte Leonard. »Die Holzindustrie und die Rodungen zerstören ihn.«
Bette sah ihn an. »Aber schützt denn die Regierung die Wälder nicht?«
»Die Regierung und die Geschäftsleute meinen, mit Holz lasse sich mehr Geld verdienen als mit Orang-Utans.«
»Das stimmt«, bestätigte Tony. »Mit tropischem Regenwaldholz wie Ramin lassen sich äußerst lukrative Geschäfte machen. Und die Schutzbestimmungen reichen noch längst nicht aus. Du weißt doch, dass ich mich gestern in Kuching mit jemandem getroffen habe? Der Mann wollte, dass ich mit ihm in die Holzwirtschaft einsteige.«
»Aber du hast abgelehnt, oder?«, sagte Bette.
»Ja. Ich hab ihm gesagt, dass ich andere Investitionen bevorzuge.«
»Da bin ich erleichtert. Wir wollen doch nicht dazu beitragen, dass diese herrlichen Tiere leiden«, meinte Bette.
Bald hatten sich Bette und Tony mit der Gegend vertraut gemacht und konnten auf eigene Faust losziehen. Am liebsten gingen sie schweigend durch den Dschungel, schauten hinauf in die Baumkronen und hofften, den Blick auf einen oder mehrere Orang-Utans zu erhaschen, die dort fraßen, spielten und schmusten.
Einmal saß Bette lange da, ohne ein Wort zu sagen, hielt dabei die Augen offen und machte hin und wieder rasch eine Skizze in ihrem Block.
Lächelnd sah Tony ihr zu. »Ich bin so froh, dass wir diese Reise gemacht haben und du die Gespenster des Krieges losgeworden bist. Nichts liegt mir mehr am Herzen als dein Glück. Aber könnte ich dich eine Weile allein lassen? Ich möchte ins Dorf zurück und dort mit dem Vorsteher sprechen.«
»Natürlich. Tut mir leid, falls du dich langweilst. Ich könnte ewig hier sitzen. Wir müssen mal für länger herkommen. Leonard hat angeboten, wir könnten in seinem Dorf flussaufwärts im Langhaus wohnen.«
»Dazu hättest du Lust?«, fragte Tony. »Ich hätte nie gedacht, dass du so völlig in diese fremde Kultur eintauchen würdest. Obwohl ich ja weiß, mit welcher Begeisterung du dich auf den Spuren der chinesischen Einwanderer in Malaya bewegst, aber das ist die Geschichte meiner Vorfahren. Dein Wissensdurst scheint jedoch unersättlich zu sein, du willst einfach alles um dich herum erkunden. Das ist einer der Gründe, warum ich dich so liebe.«
»Danke, Schatz. Wir treffen uns dann später am Boot, sagen wir, in etwa einer Stunde?« Sie schaute auf ihre Uhr.
»Ja, gut. Leonard wird mich zum Vorsteher bringen und dich dann hier abholen.«
Doch Tony war noch ins Gespräch mit dem Oberhaupt der Siedlung vertieft, als Bette ziemlich aufgelöst auf sie zueilte. Sie zog Tony beiseite und erzählte ihm leise, was sie gesehen hatte. Tony brachte seine Unterredung mit dem Vorsteher rasch zu Ende, dann informierte er Leonard. »Meine Frau sagt, da sind zwei bewaffnete Männer, die Jagd auf die Menschenaffen machen.«
»Wilderer. Beim Orang-Utan-Lager haben sie leichtes Spiel, die Affen sind praktisch zahm. Beeilen wir uns. Können Sie uns zeigen, wo genau das war?«, fragte Leonard. Bette zeigte in die Richtung, wo sie die Männer gesehen hatte, und Leonard eilte dorthin. Tony und Bette folgten ihm, so schnell sie konnten.
Was nun folgte, sollte für Bettes Leben entscheidend sein. Der Anblick des blutigen Fellbündels zerriss ihr fast das Herz, und als das Boot flussabwärts in Richtung Kuching brauste, hielt sie Tonys Hand umklammert. Der Tod des Orang-Utan-Weibchens und das Verschwinden ihres Babys schockierten sie zutiefst. Und so schwor sie sich, dass sie den Menschen eines Tages irgendwie den Wert und die Einzigartigkeit dieser sanften Geschöpfe nahebringen wollte.
Tom war
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