Das Leuchten der Orchideen: Roman (German Edition)
Alterssicherung bekommen hatten. Bette allerdings verspürte nie das Bedürfnis, ihren Reichtum zur Schau zu stellen, und hielt diese chinesische Sitte für geschmacklos.
Für andere Schätze im Rose Mansion hatte sie hingegen mehr übrig. Die Antiquitäten und Kunstsammlungen, die sie bei ihren Streifzügen durch das Haus entdeckte, begeisterten sie. Sie beschloss, sie zu katalogisieren, und erwog sogar, ein Büchlein über das Rose Mansion, seine Geschichte und seine Schätze zu schreiben und zu illustrieren.
Die Jahre flogen dahin. Zwar tat es ihr weh, dass sie zu ihren Eltern keinen Kontakt hatte und ihre Schwester Margaret sich in eisiges Schweigen hüllte, doch sie führte fernab ihrer Familie ein selbstbestimmtes Leben. Immerhin hatten Tonys Kinder sie vorbehaltlos akzeptiert und liebten sie. Abgesehen von der Missbilligung ihrer Ehe seitens ihrer Familie, war ihr einziger Kummer die Gewissheit, dass sie keine Kinder bekommen konnte. Sie hatte hochkarätige Spezialisten aufgesucht, und alle hatten ihr dasselbe gesagt. Die jahrelange Mangelernährung, die Krankheiten und Entbehrungen im Kriegsgefangenenlager hatten ihrem Körper zu schwer zugesetzt. Dafür freute sie sich umso mehr, intensiv am Leben der vier Tsang-Kinder teilzunehmen. Außerdem malte sie weiterhin und beschäftigte sich intensiv mit chinesischer Keramik. Und als sie von Tony, der Roland in Kuala Lumpur getroffen hatte, hörte, dass Philip sich im Internat sehr wohl fühlte, atmete sie erleichtert auf.
Auch wenn sie und Madam Chang sich nicht wirklich nahestanden, respektierten sie einander, und Bette hielt sich stets einen Tag in der Woche frei, um mit Madam Chang und ihren Freundinnen Mah-Jongg zu spielen. Dafür gab es ein extra Spielzimmer, wo die Fensterläden geschlossen wurden, damit kein Lärm von der Straße hereindrang. Die Tische waren für eine oder mehrere Vierergruppen vorbereitet, und Lachen, Rufe und das ständige Klick-Klack der Mah-Jongg-Ziegel hallten durch den Raum. Madam Chang liebte das Spiel und hielt an verschiedenen Ritualen fest, die ihr Glück bringen sollten; außerdem war sie eine kluge Taktikerin. Für Bette war das Mah-Jongg zwar auch eine Herausforderung, doch sie hatte ihren Spaß vor allem an der sprühenden Energie, der Begeisterung und dem manchmal recht derben Humor der Frauen, die ihr zuliebe Englisch sprachen, damit sie sich nicht ausgeschlossen fühlte und gleichberechtigt mitspielen konnte. Madam Chang ließ zum Mittagessen immer verschiedenste leckere Happen vorbereiten, die rasch verzehrt werden konnten, so dass das Spiel nicht unterbrochen werden musste. Bevor die Frauen gingen und sich dabei laut über ihre Gewinne und Verluste ausließen, gab es noch Nachmittagstee mit Kuchen und Gebäck.
Bette und Tony reisten viel. Er weihte sie in geschäftliche Angelegenheiten ein, und sie begleitete ihn sowohl nach Europa als auch in die asiatischen Nachbarländer. Außerdem führten sie ein reges gesellschaftliches Leben. Zwar waren die unbeschwerten Tage der Vorkriegszeit endgültig vorbei, doch Bette konnte auch jetzt noch die Kameradschaft der auf Dauer im Ausland Lebenden ebenso genießen wie die Gesellschaft der Einheimischen mit ihrer so unterschiedlichen ethnischen Herkunft. In ihrem Freundeskreis bewegten sich ganz ungezwungen Briten, Malaien, Inder, Chinesen und Kinder aus Mischehen. Hin und wieder begegnete sie auch Australiern, mit denen sie jedoch weder über ihre Heimat noch ihre Familie sprach. Und so glaubten alle, Bette sei einfach nur Mrs. Tony Tsang – die bessere Hälfte eines exotischen, reichen, charmanten Mannes in Penang.
Obwohl sie von ihrer Familie so vernachlässigt wurde, hatte Bette merkwürdigerweise nie das Gefühl, völlig von den Ihren abgeschnitten zu sein, und betrachtete das Ganze mehr als Unterbrechung. Mehrmals lud sie ihre Eltern ein, was aber auf wenig Begeisterung stieß. Und mit der Zeit dachte Bette nur noch selten darüber nach, was sich in Brisbane so tat. Lieber erinnerte sie sich an glückliche Momente ihrer Kindheit. Daher traf es sie tief, als sie einen Brief aus der Heimat erhielt, in dem ihr Margaret mitteilte, ihr Vater sei verstorben.
Ich habe versucht, Dich anzurufen, aber es gab große Sprachprobleme. Ich habe lediglich verstanden, Du seist nicht da. Daher haben wir angenommen, dass Du es nicht rechtzeitig zur Beerdigung schaffen würdest. Mutter weint viel, hält sich aber tapfer, und Caroline und ich sind da und unterstützen sie. Vater ist nach
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