Das Leuchten der Orchideen: Roman (German Edition)
sagte Tony, während er Madam Changs Bemühungen begutachtete.
Bette fragte sich wiederum, auf welchen Bräuchen Tonys Schwiegermutter womöglich doch noch bestehen würde. »Ich habe Angst, dass es Spannungen mit Madam Chang geben könnte. Sie lebt schon so lange hier, und ich möchte nicht, dass sie sich meinetwegen unwohl fühlt.«
»Dich hat Madam Chang sehr gern, aber sie befürchtet wohl, dass deine Mutter bei uns einziehen und die Haushaltsführung übernehmen will«, beruhigte sie Tony.
»Na, da besteht keine Gefahr! Und Madam Chang organisiert alles so umsichtig, dass ich mich ebenfalls nicht einmischen möchte. Doch was bleibt mir dann noch zu tun?«, fragte Bette.
Tony küsste sie. »Mich glücklich machen und den Kindern eine Freundin und Ratgeberin sein. Könntest du dich damit anfreunden?«
»Ja, durchaus«, antwortete Bette. »Ich möchte aber keinesfalls, dass Madam Chang sich wie eine Dienstbotin fühlt, die mich umsorgen muss.«
»Darauf käme sie im Traum nicht«, erwiderte Tony. »Sie nimmt ihre Rolle als Matriarchin sehr ernst. Und du kannst sie immer wegen alter Sitten und Gebräuche befragen, auch wenn wir uns entscheiden, dass wir ihnen nicht folgen wollen.«
Bette entschloss sich, bei ihrer Hochzeit einer eigenen Tradition zu folgen und etwas Altes, etwas Neues, etwas Geborgtes und etwas Blaues zu tragen. Das Blaue war ein Luftpostbrief in ihrer Handtasche, den sie vor wenigen Tagen von ihrer Mutter bekommen hatte. Auch wenn er Bette traurig machte, war er doch eine bittersüße Erinnerung an die Heimat. Winifred schrieb:
Obwohl ich Deine Wahl hinsichtlich Deines Ehemanns ganz und gar nicht billige, bleibst Du doch meine Tochter, und ich bete für Dein Glück und Dein Wohlergehen. Margaret ist schockiert, dass Du Dich über alle Konventionen hinwegsetzt, und meint, das müsse wohl an unserer Erziehung liegen; sie sagt aber auch, in Malaya würde manches anders gehandhabt als hier. Dein künftiger Mann ist laut ihrer Schilderung sehr vermögend, und so hoffe ich, dass es Dir an nichts fehlen wird. Allerdings mache ich mir Sorgen um die Kinder, die aus dieser Verbindung hervorgehen könnten. In Australien hätten sie es jedenfalls nicht leicht. Aber Deine Entscheidung sollte mich eigentlich nicht überraschen, denn Du hattest ja schon immer Deinen eigenen Kopf, Bette. Auch Dein Vater betet für Dein Glück. Ich verstehe zwar nicht, warum Du unter Menschen leben willst, deren Lebensweise und Sitten grundverschieden von unseren sind, aber ich werde meine Zunge im Zaum halten. Wir sind übrigens sehr glücklich darüber, Margaret und Caroline bei uns zu Besuch zu haben.
Deine Dich liebende Mutter
Als Hochzeitsgeschenk überreichte Tony ihr ein wunderschönes filigranes Collier aus goldenen Blütensternen, er trug einen dazu passenden Stern am Revers. Schon davor hatte er Bette verschiedene exquisite Schmuckstücke geschenkt. Doch da ihr Schlichteres besser gefiel, war der Ehering ein einfacher Goldring mit Gravur. Der Verlobungsring allerdings bestand aus einer Diamantentraube, die laut Tony eine bujur kana bildeten, was ovale Olive bedeutete. Bette mochte ihn sehr.
Es war eine fröhliche Hochzeit, und Tonys Kinder freuten sich darüber, dass Bette nun zur Familie gehörte. Vor der Trauung hatte sie mit jedem einzelnen von ihnen gesprochen und erklärt, sie könne niemals den Platz ihrer Mutter einnehmen, hoffe aber, dass sie in ihr eine Freundin sehen würden und eine Frau, die ihren Vater glücklich machen wolle.
In der Hochzeitsnacht liebten sie sich im Schatten der seidenen Vorhänge des großen chinesischen Bettes. Sie umarmten sich mit Zärtlichkeit und Leidenschaft, schrien ihre Lust hinaus, klammerten sich unter Tränen aneinander, und als Bette danach in Tonys Armen einschlief, wusste sie, dass ein glückliches Leben vor ihr lag.
Bette hätte sich nicht den Kopf zerbrechen brauchen, wie sie ihre Tage füllen sollte. Binnen kurzer Zeit lernte sie interessante Leute kennen, kam viel herum, lernte eine Menge dazu und zweifelte keinen Moment daran, dass diese Heirat das Beste war, was sie je getan hatte.
Die Sitten und Gebräuche der Chinesen faszinierten sie. So hatte es mit dem auffälligen Schmuck der Frauen seine besondere Bewandtnis: Er war das Erbe einer jeden Frau, wurde bei besonderen Anlässen getragen und zeigte ihren Wohlstand wie ihren Rang an. Selbst die Amahs besaßen goldene Ohrringe, Jadereifen und ausgesuchte Stücke, die sie von ihren Arbeitgebern als eine Art
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