Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition)
Lampe auf. „Sind Sie
glücklich?“
Er hielt ihrem Blick
stand. Dann lehnte er sich auf seinem Stuhl zurück, als brauche er Abstand ...
und antwortete nicht. Bin ich glücklich?, wiederholte er ihre Frage. Er war mit
seinem Leben zufrieden gewesen. Er war frei und unabhängig, musste keine
Befehle entgegennehmen, er war sein eigener Herr. Sicher hatte es hin und
wieder Frauen in seinem Leben gegeben. Kurze Liebschaften, die ihn nicht
wirklich durcheinander gebracht hatten. Sie waren eine angenehme Abwechslung
gewesen, jedenfalls für ein paar Wochen oder auch Monate, bis ihn die
Erwartungen beengt hatten, bis Rücksichtnahmen seine Freiheit geraubt hatten.
Und jetzt? Was zog ihn in den Bann dieser verheirateten Frau? Warum saß er noch
hier? Warum war er nicht mit John aufgestanden und hatte sich verabschiedet?
Sie sahen in die
Dunkelheit und schwiegen. Warum kann diese Nacht nicht ewig dauern?, dachte
sie. Mehr verlangte sie doch gar nicht, nur eine endlose glückliche Nacht ...
„Warum sind Sie nicht verheiratet?“, fragte sie und
wagte es, ihn anzusehen. Er zuckte die Schultern und lächelte ein kurzes,
tapferes oder vielleicht auch bitteres Lächeln. „Ich habe wohl nie die richtige
Frau gefunden.“ Woran erkennen wir die Richtige oder den Richtigen?, fragte sie
sich. Als Paul sie gefragt hatte, ob sie seine Frau werden wollte, hatte sie da
das Gefühl gehabt, er sei der Richtige? Oder hatte sie sich nur in seinen Beruf
verliebt, der auch ihr eine Lebensaufgabe versprach? Sollte sie sich selbst
getäuscht haben? Aber sie liebte Paul doch ... oder nicht? Sie sorgte sich um
ihn, sie bemitleidete ihn, sie empfand Freundschaft und Treue! Und hatte sie
nicht vor Gott geschworen, ihm beizustehen, das Leben mit ihm zu teilen? Wie
konnte man mit einem Menschen näher verbunden sein als durch dieses heilige
Versprechen? „Ich möchte noch ein paar Schritte gehen“, hörte sie sich sagen.
Schon erhob sie sich und wandte sich um. Auch er stand auf, als sei es das
Selbstverständlichste, mitten in der Nacht herumzuspazieren. Er folgte ihr
zwischen den Palmen am Eingang hindurch. Bei den Hütten war es still, nur noch
eine dünne, kaum sichtbare Rauchfahne stieg von einem Feuer auf. Sie sah hinauf
in den Himmel. Da, durch das Meer glitzernder Sterne sauste ein glühender
Punkt.
„Eine Sternschnuppe!“
„Wünschen Sie sich was!“, sagte er und folgte ihrem Blick in den Himmel.
„Schnell!“ Was sollte sie sich wünschen? Gedanken jagten durch ihren Kopf.
Robert ... Paul ... John ... „Sie können hier jede Nacht Sternschnuppen
beobachten“, sagte er. „Sie können sich also jeden Tag etwas wünschen!“ Er lachte in den glitzernden Himmel. Nie
sollte diese Nacht zu Ende gehen, ging es ihr durch den Kopf. Nie sollte diese brennende,
schmerzende Flamme in ihr verlöschen ... Sie gingen weiter. Wie nah er neben
ihr war, sie spürte die Hitze seines Körpers, obwohl er sie nicht berührte. Oh,
es war so unerträglich, und doch so schön! „Manchmal“, sagte sie, „glaube ich,
dass Margarete und Hermann Weiß einfach in die Wüste gelaufen sind.“ „Und warum
hätten sie das tun sollen?“ „Haben Sie ihn noch nie gehört, den Lockruf der
Weite?“ „Wie nennen Sie ihn? Lockruf der Weite?“ „Ja. Auf dem Weg durch die
Wüste habe ich ihn nachts immer wieder gehört und manchmal war ich nahe daran,
ihm einfach zu folgen.“ „Es wäre wahrscheinlich Ihr Tod gewesen.“
Sie waren an der kurzen Seite des Hauses
angekommen, dort, wo der Garten begann. Die Hauswand lag im Dunkeln.
Unwillkürlich hatte es sie dorthin gezogen. „Sind Sie denn so unglücklich?“,
fragte er auf einmal, und seine Stimme war ganz leise. Sie antwortete nicht.
Ihre Sehnsucht wurde so unerträglich, etwas in ihr brach auseinander, ein
Korsett, das ihr notdürftig Halt gegeben hatte. Sie drehte sich zu ihm. Sein
Gesicht war im Schatten, aber dennoch, sie hatte es sich eingeprägt, hatte es
so intensiv betrachtet, dass sie wusste, wie sein Mund geschwungen war, wie
seine Augenbrauen, seine Augen aussahen ... Jetzt war sein Mund ganz nah. Sie
griff in die Dunkelheit und fand seine Hand. Er zog sie an sich. Als sie seinen
Körper spürte, hätte sie beinahe aufgeschrien. Ihre Knie wurden weich, sie
verlor jeden Halt, er hielt sie, drückte sie an sich, längst hatte sie die
Augen geschlossen, seine Lippen legten sich auf die ihren, sie schmeckten
salzig und nach den Kräutern
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