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Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition)

Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition)

Titel: Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Martini
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bewegen
    durften. Die helle Morgensonne schien auf ihre schwarze Haut. Er drückte auf
    den Auslöser. „Danke!“, rief er, und Jalyuri und der Junge bewegten sich
    wieder. Jalyuris Sohn rannte zu den anderen Kindern, zwei Jungen, die mit
    Stöcken spielten. Alle trugen Kleider, fiel Robert auf, und er erinnerte sich
    an frühere Jahre und abgelegenere Orte, an denen die Aborigines nur einen
    Grasgürtel trugen. Die Weißen konnten nicht damit umgehen, dass sie nackt
    waren. Vielleicht, weil sie an ihre eigene Körperlichkeit erinnert wurden, die
    sie als peinlich empfanden. „Komm, ich zeig’ dir meinen anderen Sohn!“ Jalyuri
    führte ihn zwischen zwei Hütten hindurch. Er gab einem weißen Hund einen
    Fußtritt, der zu aufdringlich hinter ihm herlief. Dann machte er mit dem Kinn
    eine Geste zu einer hochschwangeren Frau, die gerade Kräuter oder Teeblätter,
    das konnte Robert nicht erkennen, in einen alten Kerosinbehälter legte.
    „Mach Foto!“ Jalyuri
    hatte sich neben seine Frau auf die Erde gehockt. Jalyuri, der noch nie eine
    Kamera in der Hand gehabt hatte, der sicher nichts von Fotografie und
    Bildaufbau gehört hatte, wusste, wie ein Bild aussehen musste. Mit ernster
    Miene sah er ins Objektiv, seine Frau tat es ihm nach, nachdem er ein paar
    kurze Worte zu ihr gesagt hatte. Robert nahm die Kamera vom Stativ, hockte sich
    ihnen gegenüber und machte ein Foto. Jalyuri rieb über den Bauch seiner Frau
    und lachte fröhlich. „Wird Junge“, erklärte er und nickte stolz. Seine Frau
    lachte auch, doch sie wirkte müde und angestrengt. „Wirinun ...“ Jalyuri erhob
    sich. „... du musst Wirinun ...“ Er zeigte auf die Kamera. „Wirinun
    fotografieren?“ Robert sah sich um. „Wo ist der Medizinmann?“ Auch Jalyuri
    reckte seinen Hals und ließ seinen Blick über das Lager wandern. „Nicht da. Du
    musst wiederkommen!“
    Jetzt war der passende
    Augenblick. „Jalyuri“, sagte Robert, „warum darf dein Bruder nicht nach Hause?“
    Jalyuri zuckte zusammen, seine Fröhlichkeit war dahin. Sein Blick glitt zu den
    Bergen, die in der Morgensonne glühten. Doch er antwortete nicht. „Wird dein
    Bruder jemals wiederkommen können?“, fragte Robert. „Man weiß nicht“,
    antwortete Jalyuri mit leiser Stimme. „Dann wird es dauern, bis ich
    wiederkomme, Jalyuri“, sagte Robert. Nein, er würde gar nicht mehr
    wiederkommen. Aber das hatte einen anderen Grund, und den kannte Jalyuri ja
    nicht.

    Als Emma aufwachte,
    hatte sie gehofft, ihre Verwirrung wäre vorüber, und sie könnte wieder klar
    denken, stattdessen fühlte sie sich niedergedrückt und zerschlagen. Sie hatte
    Zuflucht im Gebet gesucht, hatte Jesus Christus angefleht, sie von diesen
    verirrten Gefühlen zu befreien, ja, sie war am Morgen zu Paul ins Arbeitszimmer
    gegangen, hatte sich neben ihn gelegt, doch er hatte weitergeschlafen, und so
    war sie wieder aufgestanden. Emma sah hinüber zu den Hütten. Sie hatte ihn
    schon vom Fenster aus beobachtet, wie er auf der Stufe zur Kirche gesessen
    hatte und später zu den Eingeborenen gegangen war. Sie trat auf die Veranda.
    Die Berge umhüllte ein morgendlicher Dunst, der ihnen ihre Schroffheit nahm. Er
    kam auf sie zu, langsam, mit seinen schlaksigen Gliedern, im Rücken die
    glutrote Sonne, die Kamera mit dem Stativ unter dem Arm. „Ich wollte mich
    verabschieden“, sagte er, als er vor ihr stand. Sie wusste nicht, ob sie
    erleichtert oder enttäuscht war, weil er mit keinem Wort den gestrigen Abend
    erwähnte. „Wenn ich in Stuart etwas für Sie tun kann ... Medikamente bestellen
    oder ...“ „Danke.“ Sie wagte nicht, seinen Namen auszusprechen. „Ich wollte
    Ihnen noch alles Gute wünschen für die Arbeit hier.“
    Sie rang sich ein
    Lächeln ab. Komm wieder, hatte sie sagen wollen, oder sogar, bleib ... aber das
    war unmöglich. Er fuhr sich durchs Haar und strich die Strähne aus der Stirn.
    „Glauben Sie mir“, sagte er sehr ernst, „ich bewundere Ihre Kraft.“ Sie seufzte
    – vor Glück, vor Erleichterung, vor Schmerz –, sie wusste es nicht.
    Sie wollte ihn anfassen, wenigstens seine Hand ...
    „Missus!“ Amboora kam von den Hütten auf sie zugelaufen.
    „Leute krank!“, rief sie atemlos, „Schnell!“ Sie fasste Emma am Handgelenk und
    wollte sie mit sich ziehen. Emma sah Robert an, wollte sich entschuldigen, doch
    sein Blick sagte ihr, dass er verstanden hatte. Als sie sich von Amboora
    fortziehen ließ, verbot sie es sich, zurückzusehen. Es ist gleich

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