Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition)
verloren. Ihre Kultur stirbt.“ „Wenn sie Christen
werden sollen, dann dürfen sie ihre Gesänge nicht mehr singen, Mister Gordon,
das ist doch selbstverständlich!“ Paul schüttelte entschieden den Kopf, schob
den Teller von sich und verschränkte die Arme auf dem Tisch. Emma unterdrückte
eine Bemerkung. Warum war er nur so verbohrt? „Aber es ist ihre Kultur“,
widersprach Robert heftig, „ihre zehntausende Jahre alte Kultur! Die können sie
nicht einfach so durch ein Verbot beiseite wischen!“ Seine Stimme war lauter
geworden, stellte Emma fest. Sie sah kurz zu John und bemerkte, dass er Robert
feindselig musterte.
„Auch die Kultur der Ägypter
existiert nicht mehr!“, schaltete sich nun John ein, „Die Kulturen haben
kapituliert oder wurden entlarvt. Die Menschen haben sich abgewandt, weil sie
ihnen nichts mehr bedeutet.“ John wusste, dass er gezwungen lächelte. Was für
ein qualvolles Abendessen! Wie sie sich ansahen, Emma und Robert! Fiel das Paul
denn nicht auf? War er blind? „Oder weil man ihnen ihre Gebete und Rituale
verboten hat, ihre Sprache geraubt und die Gläubigen alle getötet hat, Pastor
Wittling!“, widersprach Robert etwas aufgebracht. „Mister Gordon, dass wir uns
richtig verstehen: Wir töten niemanden“, sagte John nachdrücklich. „Ohne uns
würden die Menschen hier verhungern.“ Dieser Fotograf wollte sich doch nur
aufspielen, sich vor Emma wichtig machen, indem er eine solch krude Weltsicht
zum Besten gab. Was fand sie nur an ihm? „Natürlich würden sie verhungern, man
hat ihnen zuvor ja auch ihr Land genommen und es den Rindern und Schafen
überlassen!“, erwiderte Robert Gordon. „Nun, daran können wir nichts mehr
ändern, Mister Gordon“, sagte John mit einem spitzen Lächeln. Dieser Gordon
hielt sich für ganz besonders klug! John wollte das Zucken seines Mundwinkels
unterdrücken, aber es gelang ihm nicht. Nun, morgen oder spätestens übermorgen
würde er wieder abreisen ...
Warum ist John auf
einmal so angriffslustig, dachte Emma. „Wir können nur noch die Not lindern“,
redete John weiter, „und den Menschen helfen, sich in der neuen Zeit
zurechtzufinden.“
Robert Gordon schob den
Teller weg, legte die Arme auf den Tisch und sah John herausfordernd in die
Augen. „Dasselbe hat Pastor Weiß gesagt. Vor vier Jahren war er hierher
gekommen. Ich sage Ihnen ...“ Dabei sah er erst John, dann Paul in die Augen.
„... In diesen Jahren ist für die Aborigines die Lage nicht besser, sondern
schlechter geworden. Die Weißen haben ihnen noch viel mehr Land genommen. Sie
beuten sie aus, bedienen sich ihrer Arbeitskraft aus, nehmen ihre Frauen ...“
„Sie sprechen ja wie ein Marxist, Mister Gordon!“ Paul lachte auf. „Aber Sie
vergessen: Ohne Pastor Weiß und seine Vorgänger gäbe es heute hier
wahrscheinlich gar keine
Eingeborenen ...!“
„Mister Gordon ...“ Emma
fiel Paul ins Wort. Es war genug! „Erzählen Sie doch von Hermann und Margarete
Weiß! Kannten Sie sie?“ Paul und John starrten sie an. Aber auch Robert Gordon
schien überrascht. „Jemand hat uns die Bibel von Pastor Weiß vor die Tür
gelegt“, erklärte sie ihm. „Wir wissen nicht, was das bedeuten soll.“
Robert Gordon zögerte.
Moses hatte ihm nicht viel erzählt. „Pastor Weiß ist verschwunden, genauso wie
seine Frau. Niemand weiß, ob sie tot oder noch am Leben sind. Mehr kann ich
Ihnen auch nicht sagen.“ „Das wissen wir auch, Mister Gordon“, bemerkte Paul in
abfälligem Ton. Er schien zu einem anderen Thema übergehen zu wollen, doch Emma
fragte schnell: „Was waren sie für Menschen?“ „Ich habe sie nur zweimal
besucht. Sie haben sich sehr für die Aborigines eingesetzt. Aber Pastor Weiß
war sehr, sehr streng. Er war kein nachsichtiger Mensch.“ Er brach ab, und
betretenes Schweigen breitete sich aus. Emma ließ die Worte auf sich wirken.
Pastor Weiß war genauso wie Paul ... „Ich kannte ihn“, sagte Paul auf einmal.
Emma glaubte sich verhört zu haben. „Paul!“ Das war alles, was sie
herausbrachte. Sie konnte doch nicht vor John und einem Gast ihre Empörung so
zeigen! Aber wieso hatte er ihr nie davon erzählt? Paul reagierte nicht auf
ihren Ausruf, obwohl John und Robert Gordon überrascht aufsahen.
„Pastor Weiß ist ,
nicht war – noch wissen wir
nicht, ob er tot ist, er ist ein sehr gläubiger und rechtschaffener Mann“,
sagte er. „Kompromisslos, Pastor, unnachgiebig und hart,
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