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Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition)

Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition)

Titel: Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Martini
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Baumrinde, und die Nase über dem weißen Bart
    war dick wie eine Wurzelknolle. Sein Haupthaar, wie das von Jalyuri mit einem
    Band zusammengehalten, wurde langsam dünn, aber die Stimme war laut wie der
    Donner, und zwischen den faltigen Lidern sprühten die schmalen Augen wie Feuer aus
    Felsspalten.
    Der Alte machte eine
    Bewegung zu dem wimmernden Kind und sah dann ihn, Jalyuri, streng an. Jalyuri
    senkte den Blick, kniete sich neben Isi vor seinen Sohn, legte seine Hand auf
    den dünnen Arm. Jungala drehte seinen Kopf und schlug ganz langsam die Augen
    auf. Wie sie glühten! Jalyuri dachte an das Wallaby, das er im Beutel seiner
    toten Mutter gefunden hatte, vor Tagen, als er jagte. Warum die Mutter tot war,
    hatte er nicht erkennen können. Wäre sie verdurstet, wäre das Kleine sicher vor
    ihr gestorben. Er hatte es mitgenommen. Die Kinder hatten seit zwei Tagen kaum
    etwas gegessen. Die zwei ganz kleinen saugten noch Milch von den Brüsten ihrer
    Mütter, sie waren besser dran. Es war nicht viel Fleisch an dem jungen Wallaby,
    aber wenigstens ein bisschen, und die Kinder konnten in der Nacht einschlafen.
    „Wann kommt Wirinun
    endlich?“, jammerte Isi. Jalyuri sah zu seiner Frau, die von ihrer Mutter und
    Mani, Jalyuris jüngerer, zweiter Frau, gestützt wurde. „Er ist besungen, sie
    haben ihn besungen!“ Sie schluchzte und schlug sich mit den Händen auf die
    Brust, immer und immer wieder. „Mein Kind!“ Mani legte den langen, dürren Arm
    um Isis Schultern und murmelte beruhigende Worte. Sie hatte noch kein Kind.
    Bisher waren die Kindergeister noch nicht aus der Erde gekommen und in sie
    eingedrungen. „Er wird schon kommen!“, tröstete Jalyuris Schwiegermutter.
    Jalyuri durfte sie nicht ansehen, weil es das Gesetz verbot. Genauso wie er
    auch die Schwester seiner Frau nicht ansehen und nur über Dritte mit ihr
    sprechen durfte. Der Älteste hob den Kopf und sah hinauf in den Himmel. Jalyuri
    folgte seinem Blick. Wie schnell die Wolken auf einmal flogen! Warum mein
    Junge?, fragte sich Jalyuri und fürchtete die Antwort. Ein anderer Medizinmann
    musste ihm irgendetwas gestohlen und einen Fluch ausgesprochen haben.
    Vielleicht den Speer? Den hatte er doch vor Tagen verloren. „Mach ein Feuer,
    Jalyuri!“, befahl der Älteste mit seiner lauten Stimme. „Was wir brauchen, ist
    ein Feuer!“ Niemand fragte, warum. Auch Jalyuri nicht. Er nahm einen Stock und
    das flache Stück Holz mit dem Loch, das er schon in der Nacht zum Feuermachen
    benutzt hatte. Er hockte sich so, dass seine Füße das Stück Holz festhielten
    und sich der Teil mit dem Loch dazwischen befand. Dann steckte er den dünnen
    Stock in das Loch, legte trockene Rinde daneben und drehte den Stock zwischen
    seinen Handflächen so schnell, dass sich in wenigen Sekunden Rauch bildete und
    die trockene Rinde schließlich laut knisternd Feuer fing. Er legte zwei Äste
    darauf, und bald brannten auch sie. Jalyuri ahnte, was nun kam. Als er klein
    gewesen war und hohes Fieber bekommen hatte, hatte man das auch mit ihm
    gemacht. Er hatte nichts mehr essen und trinken wollen, hatte nur noch kriechen
    können, und alle hatten geglaubt, er würde sterben. Er ist besungen! ,
    hatten sie gesagt, jemand hat ihn besungen ! Dann hatte man heiße Kohlen in eine flache Grube geschüttet, eine
    Decke darüber gebreitet und ihn darauf gelegt. Der Geruch von versengtem
    Fleisch, der Schmerz, wie sich die Haut in der Hitze zusammenzog, daran konnte
    er sich in jedem Augenblick seines Lebens erinnern. Die Narben auf seinem
    Rücken sah er nie, nur die drei breiten Narben auf seiner Brust.
    „Wo ist er?“, hörte er
    eine krächzende Stimme. In seine Erinnerungen vertieft, hatte er den Medizinmann
    gar nicht kommen sehen. Nackt, nur mit einem Lendenschurz aus Gräsern
    bekleidet, einem Speer in der Hand, Federn im Haar und einem Band aus rotem
    Stoff um den Kopf gebunden, stand er plötzlich da.
    Wirinun hätte nicht
    fragen müssen, denn die Männer und Frauen öffneten sogleich in ehrfurchtsvollem
    Schweigen den Kreis, den sie um den am Boden liegenden Jungen gebildet hatten.
    Wirinun schritt hindurch. Jalyuris Herz schlug hart und fest. Er spürte die
    Schläge sogar in seinem Hals und in seinem Kopf. Er muss ihn wieder gesund
    machen!, flehte Jalyuri stumm und dachte an den großen, mächtigen Gott der
    Weißen. Es würde nicht schaden, auch ihn um Unterstützung zu bitten. Herr Jesus
    Christus ..., betete er still, so wie die Missionare es ihn

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