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Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition)

Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition)

Titel: Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Martini
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Medizinmann Jalyuri. „Er hat
    einen starken Gegner“, sagte er schließlich mit seiner krächzenden Stimme.
    Jalyuri blickte zu Boden. Seine Kehle war trocken wie die Erde unter seinen
    nackten Füßen. „Die alte Schuld, Jalyuri, du weißt es ...“, sagte der
    Medizinmann drohend. Nur Alte und ganz kleine Kinder sterben ohne Grund. Hinter
    jedem anderen Tod steht die Schuld, hallte es in Jalyuris Ohren. Als er den
    Kopf hob, begegnete er dem Blick seiner Frau, die ihren Sohn in den Armen hielt
    und an ihre Brust drückte, wie früher, als er noch ein Baby war. Mit großen,
    sorgenvollen Augen sah sie Jalyuri an. Sie ahnte, was ihm bevorstand.

9
Auf See
    Paul und Emma saßen wie
    all die vergangenen Tage an einem Tisch im Speisesaal und nahmen Kaffee und
    Brot mit einem dünnen Butteraufstrich zu sich. Paul war in die Lektüre eines
    Theologiebuchs vertieft, während Emma rasch ihren Kaffee trank, ein paar Bissen aß und dann an Deck
    ging. Sie wollte endlich ihrer Mutter und Vera einen Brief schreiben. Welch ein
    wundervoller Anblick bot sich ihr! Der Hafen von Gibraltar war voller Leben.
    Händler hatten Stände aufgebaut und verkauften Gemüse und Fisch. Am liebsten
    wäre sie jetzt hinuntergegangen, hätte die Gerüche eingesogen und wäre durch
    die engen Straßen geschlendert. Doch die Abfahrt stand kurz bevor, und sie
    hatten keine Erlaubnis, an Land zu gehen.
    „Guten Morgen, Frau
    Schott!“ Emma drehte sich um. Hilde Friedrich, gekleidet in ein graues
    Halbärmelkleid mit weißen Knöpfen, lächelte sie an. Warum nur wählte sie immer
    diese Farben, die gar keine waren? Als wollte sie gar nicht da sein. „Wie geht
    es Ihrem Mann?“, erkundigte sich Emma. „Der Arme hat die ganze Nacht nicht
    geschlafen! Er wird hoffentlich nicht doch noch seekrank werden!“ „Bitte
    richten Sie ihm meine besten Wünsche aus.“ „Das werde ich.“ Hilde Friedrich
    lächelte wieder und ging dann weiter. Emma blieb noch an der Reling stehen, bis
    die Britannia ablegte. Taue wurden eingeholt, die Besatzung verrichtete
    ihre eingeübte Arbeit. Ein paar wenige Menschen an Land winkten. Sie wurden
    immer kleiner, und Emma dachte daran, wie sie Hamburg verlassen hatten und ihre
    Mutter und Vera in der Ferne verschwunden waren. Gibraltar, dachte sie,
    vielleicht war es das erste und letzte Mal, dass ich dich gesehen habe? Als
    sich das Schiff so weit entfernt hatte, dass sie selbst die Burg nicht mehr
    ausmachen konnte, suchte sie sich einen windgeschützten Platz an einem der
    kleinen Tische und holte ihr Schreibzeug aus der Tasche.

    Liebe Mama,
    nun sind wir schon
    seit Tagen auf See. Es ist alles neu und aufregend. Wie seltsam: Wir gehen an
    Bord eines Schiffes, und schon ändert sich das ganze Leben! Vielleicht solltest
    du auch einfach an Bord eines Schiffes gehen ... Mit Paul verstehe ich mich
    gut. Meistens wenigstens. Wir müssen uns ja auch erst aneinander gewöhnen - Wie
    lange habt ihr, du und Papa, euch gekannt, bevor ihr geheiratet habt? Hast du
    mir nicht mal erzählt, es hat fast zwei Jahre gedauert, bis er dich endlich
    gefragt hat? Ich lese viel und versuche Englisch und auch bereits ein wenig die
    Eingeborenen-Sprache zu lernen. Es ist eine schrecklich schwierige Sprache. Man
    hat einen Wortstamm, und daran werden alle möglichen Endungen gehängt, oder es
    werden Vorsilben vorangestellt, um etwas auszudrücken. Ein einziges Wort
    beinhaltet dann, wer mit wem spricht, wer nicht dabei ist, wie viele Zuhörer es
    gibt, und so weiter. Man kann nicht glauben, dass ein so primitives Volk eine
    solch ausgeklügelte Sprache hat!
    Man wird dort mit den Eingeborenen
    Geduld brauchen, sagt Paul. Wir müssen ihnen und den Kindern lesen und
    schreiben und christliche Lieder beibringen. Das ist aber nur möglich, wenn wir
    ihre Sprache sprechen! Liebe Mama, du glaubst ja gar nicht, was das für eine
    große und gewaltige Aufgabe ist. Und mir ist sie aufgetragen worden! Ich denke oft an Papa. Er wäre stolz auf
    mich.
    Was gibt es Neues von Bertolt? Warum
    kann er nicht auch eine Aufgabe finden, die FRIEDLICH ist? Warum kann er andere
    Menschen nicht denken lassen, was sie wollen? Warum sollen alle so denken wie
    er? Ach, ich will dich nicht noch mehr aufregen.
    Ach Mama, ich wünschte, du könntest
    mich begleiten und hättest wieder Freude!
    Ich vermisse dich.
    Deine Dich
    liebende Emma.

    Sie faltete den Bogen
    Papier, steckte ihn in einen Umschlag und adressierte ihn. Sie würde ihn später
    einem Steward

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