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Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition)

Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition)

Titel: Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Martini
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zurückgekehrt. „Das tut mir Leid“,
    wiederholte Emma. Sie wusste nicht, was sie sonst sagen sollte. „Wunden heilen,
    sogar die, von denen man überzeugt ist, dass sie nie mehr heilen werden.“ Sie
    lächelte Emma an. „Ich wollte Ihnen nicht den Morgen verderben. Wieso haben wir
    es überhaupt so weit kommen lassen?“ Sie schüttelte den Kopf. „Sie haben
    übrigens gut getanzt gestern Abend!“ Sie wird mich doch hoffentlich nicht
    danach an Deck gesehen haben, fuhr es Emma sofort durch den Kopf. „Ach, ich
    kann doch gar nicht richtig tanzen.“ Über das Gesicht der Frau flog ein
    wissendes Lächeln, dann sah sie hinauf zum Himmel, an dem die Britannia eine Spur schwarzer
    Rauchwolken hinterließ. Als sie den Blick wieder senkte, glaubte Emma, in ihren
    Augen einen Glanz zu erkennen, der vorher nicht da gewesen war. „Einen schönen
    Tag noch“, wünschte die Frau und blickte dann wieder zum Himmel hinauf. Emma
    verabschiedete sich, doch die Frau schien sie nicht mehr zu hören. Ja, sie
    sollte unbedingt Paul holen.
    Sie ging hinunter zur
    Kabine, öffnete die Tür und umarmte Paul, der inzwischen aufgestanden war, an
    dem winzigen Tisch saß und schrieb. Seinen anfänglichen Protest beendete sie
    mit einem langen Kuss. Zufrieden stellte sie fest, dass er sie glücklich anlächelte
    und ihrem Vorschlag, nach oben zu gehen und die Einfahrt in die Straße von
    Gibraltar zu beobachten, widerspruchslos folgte.

    Am Mittag liefen sie den
    Hafen von Gibraltar an. Die Burg, von der Ottmar Friedrich gesprochen hatte,
    ragte grau und steinern auf. Neue Passagiere kamen an Bord, andere verließen
    das Schiff. Ladung wurde aus dem Schiffsleib transportiert. Beim Abendessen
    saßen sie wieder bei den Friedrichs. Alle anderen Plätze waren bereits besetzt.
    Es gab wie immer eine Suppe, die allerdings diesmal etwas undefinierbar
    schmeckte, worauf Ottmar Friedrich meinte, es seien wahrscheinlich alle
    auffindbaren Küchenreste hineingemengt worden; dann folgten gedünsteter Fisch
    und eine nach nichts schmeckende Götterspeise. Er selbst aß an diesem Abend kaum
    etwas. Angeekelt schob er den Teller mit dem Fisch von sich, und die
    Götterspeise nahm er erst gar nicht an. Er wirkte gereizt und beschwerte sich
    über die Hitze. Nach dem Essen blieben Emma und Paul nicht lange sitzen. Sie
    entschuldigten sich und gingen hinaus. Der Mond war zu einer leuchtenden
    gebogenen Linie zusammengeschmolzen. Die laue Luft roch nach Salz und Algen,
    und aus der Ferne drangen leise Geräusche von den Hafenarbeitern und Fischern,
    die ihre Boote reinigten und ihre Netze flickten. In der Stadt brannten
    vereinzelte Lichter. Sie gingen Arm in Arm über das Deck. „Ich überlege, wie
    wir uns in Neumünster zurechtfinden“, sagte Emma auf einmal. „Wird das Ehepaar
    noch eine Weile mit uns dort leben, bis wir uns eingewöhnt haben?“ Er blieb
    stehen. „Welches Ehepaar?“ „Na, die Missionare, unsere Vorgänger!” Er starrte
    sie an, antwortete jedoch nicht. „Aber Paul, du hast mir doch erklärt, dass die
    Mission vor dreißig Jahren gegründet worden ...“ „Pastor Weiß“, fiel er ihr ins
    Wort, „und seine Frau haben die Mission nicht gegründet, sie waren kaum älter
    als ... als ich.“ Sie war davon ausgegangen, dass die Missionare abgelöst
    werden sollten, weil sie zu alt waren. Er kam ihrer Frage zuvor. „Sie sind ...
    verstorben.“ „Aber warum hast du mir das nicht gesagt? Woran sind sie denn
    gestorben?“ Sie fasste seine Hand, die kalt und steif war. Er reagierte nicht.
    „Paul!“, versuchte sie es noch einmal. „Was ist mit ihnen passiert? Waren sie
    krank?“ „Sie sind tot!“ Seine Augen waren schmal geworden. „Manche Menschen müssen
    früher gehen. Ich gehe jetzt schlafen.“ Ohne ein weiteres Wort drehte er sich
    um und ging mit schnellen Schritten zur Treppe. Sie sah ihm nach. Sie hatte
    geglaubt, sie sei ihm endlich näher gekommen. Doch jetzt war die Kluft zwischen
    ihnen wieder aufgerissen.
    Sie setzte sich in einen
    Liegestuhl und schlief irgendwann ein. Steif vor Kälte erwachte sie. Die
    Lichter der Stadt waren erloschen, und es war still, bis auf das gluckernde
    Geräusch des Hafenwassers, das an die Bordwand schlug. Wenn ihre Vorgänger
    einfach nur gestorben waren, warum regte sich Paul dann so darüber auf?

8

Zentralaustralien

    „Jalyuri!“ Jalyuri
    schrak aus seinen Betrachtungen auf und blickte in das Gesicht des Ältesten. Es
    war zerfurcht und rissig wie alte

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