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Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition)

Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition)

Titel: Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Martini
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gelehrt hatten. Jungala
    bewegte ganz schwach den Kopf, aber sein Brustkorb hob und senkte sich noch
    schneller als vorhin. Der Medizinmann warf nur einen kurzen Blick auf ihn, ohne
    sich zu ihm hinunterzubeugen, und sagte zu den Umstehenden: „Wir brauchen
    Kohlen!“ „Jalyuri“, raunte der Älteste. „Es muss ein Rat einberufen werden.“
    Jalyuri wagte nicht zu widersprechen, obwohl er sich vor dem fürchtete, was der
    Rat beschließen könnte. „Hast du verstanden?“ Die Augen des Ältesten hatten
    sich zu schmalen Schlitzen verengt. Sie blitzten auf, wenn ein Sonnenstrahl sie
    traf. Beschämt über seine Furcht, senkte Jalyuri den Blick. „Ja“, sagte er
    leise.
    Der Älteste richtete
    sich auf und ging zu dem Medizinmann, der am Feuer kniete. Über dem Feuer hing
    ein Topf mit dampfendem Wasser. In diesen Topf warf der Medizinmann nun Blätter
    und Rindenstücke, die er aus dem Fellbeutel nahm, der an einem Lederriemen um
    seinen Lendenschurz hing. Alle anderen trugen die Überreste der alten Kleider,
    die sie ihnen auf der Missionsstation gegeben hatten. Der Alte hatte nur eine
    Hose an, wie er, Jalyuri; zwei andere Männer, Nooma-Nooma, der schnellste
    Läufer, und One Leg, der Einbeinige, hatten ein Hemd um die Hüften geschlungen.
    Die Kleider der Frauen waren von Dornen und Salzbüschen zerrissen.
    Wirinun, der
    Medizinmann, rührte die Mischung mit einem Zweig um, dabei summte er. Niemand
    sonst gab einen Laut von sich. Selbst Jungala hatte aufgehört zu wimmern.
    Jalyuri sah zu Isi, ihr breites und sonst so gleichmütiges Gesicht war
    schmerzverzerrt, aber sie schwieg. Er nickte ihr erleichtert zu. Er hätte sich
    geschämt, wenn sie nicht still gewesen wäre. Denn jeder wusste: Wirinun durfte
    nicht gestört werden. Nur das Feuer zischte, der Tee brodelte, die Zweige der
    Dächer wisperten - und Wirinun summte. Alle hatten sich auf den Boden gesetzt
    und warteten. Warteten, bis Wirinun so weit war, den Kampf gegen den
    gegnerischen Medizinmann aufzunehmen, der den Jungen mit seinem bösen Zauber
    belegt hatte.
    Jalyuri saß da mit
    gekreuzten Beinen und spürte den körnigen Sand an seinen nackten Fußknöcheln.
    Das monotone Summen des Medizinmanns, dessen immer gleiches rhythmisches Wiegen
    des Oberkörpers machten ihn ruhiger, nahmen ihm die Angst. Er war nicht allein.
    Der ganze Stamm und mit ihm alle Ahnen waren bei ihm. Das stärkte ihn. Er hob
    den Kopf und richtete den Blick in die Ferne, in die Vergangenheit, in die
    Zeit, in der alles begonnen hatte, als Baiame, das Schöpferwesen, die Welt erst
    ersann und dann erschuf. Zuerst machte er die Yowies, die Seelen, die er mit
    Körpern, mit Hüllen, umgab. So entstanden zuerst Gesteine, dann Pflanzen,
    später die Tiere und Uluru, die Regenbogenschlange, die sich wälzte und so Seen
    und Flüsse und Berge schuf. Schließlich stieg Baiame, der Schöpfer, mit seinen
    höchsten Geschöpfen, dreihundert Männern und Frauen, auf die Erde hinab. Er
    lehrte sie zu leben, Nahrung zu sammeln, zu kochen. Er lehrte sie die Tänze und
    Zeremonien, die Gesetze und gab ihnen die Kraft zu heilen. Der Schöpfer nahm
    sich zwei der Frauen und ...
    Jalyuri fuhr zusammen,
    sein Kopf flog in die Richtung, aus der der Schrei kam. Jungala! Der
    Medizinmann hatte sich über Jungala gebeugt und saugte an dessen Oberarm. Seine
    Backen blähten sich, das Schreien des Kindes verstummte, seine Mutter schlug
    sich auf die Brust, und der Medizinmann saugte und saugte ... Jalyuri spürte in
    sich den Drang, diesem Mann sein Kind zu entreißen, aber er wusste, es war der
    Medizinmann, der seine Kraft von Gott, dem Schöpferwesen, bekommen hatte.
    Wirinun saugte weiter, immer dicker wurden seine Backen, wie ein Tier hatte er
    sich in Jungala verbissen. Jalyuri litt Höllenqualen - dann plötzlich ließ
    Wirinun von dem Kind ab, ließ den Arm los, drehte den Kopf zur Seite und spie
    in hohem Bogen aus. Alle starrten auf die Spritzer tiefroten Blutes im gelben
    Sand. Schließlich wischte sich Wirinun mit dem Handrücken den Mund ab und stand
    auf. Wirinun sah erst Jalyuri, dann den Ältesten ernst an.
    „Wird er gesund
    werden?“, fragte Jalyuri. Jungala lag ruhig da, die Augen geschlossen. Der
    Blick des Medizinmanns war jetzt allein auf Jalyuri gerichtet. Stolz und
    mächtig stand Wirinun da. Jalyuris Vertrauen in diesen Mann war groß. Dennoch
    hatte er sich nicht zurückhalten können und die Frage gestellt. Stumm - und es
    schien, fast ohne zu atmen – fixierte der

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