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Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition)

Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition)

Titel: Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Martini
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sich nicht einigen, wer das alles
    bezahlt und wem sie gehören soll“, hatte Pastor Emig auf dem Bahnhof von
    Adelaide gesagt und die knöchernen Schultern gezuckt. „Jetzt haben sie die
    Strecke bis Oodnadatta fertig bekommen, aber von dort sind es immer noch
    fünfhundert Kilometer bis Stuart, der Stadt in der Mitte des Kontinents. Es
    fehlen also nur noch zweitausend Kilometer bis Port Darwin! Das erlebe ich
    nicht mehr!“ Dabei hatte er gelacht und mit seinem Stock auf den Boden
    gestoßen. Ab Adelaide war der Zug sehr voll gewesen, doch ab Terowie, etwa
    zweihundertdreißig Kilometer von Adelaide entfernt, befanden sich - außer ihnen
    – Emma, Paul und John Wittling – nur noch eine Mutter mit einem
    Säugling und ein junges Ehepaar im Waggon. Seit sie vor zwei Stunden in Port
    Augusta umgestiegen waren, saßen Emma und Paul nebeneinander auf der
    lederbezogenen Bank. Die meisten der etwa fünfzehn Waggons und Pritschenwagen
    – so viele hatte Emma gezählt – waren mit Gütern beladen: mit
    Tonnen, Fässern, Eisenstangen, Steinen, Holzbalken. Über manchen Wagen spannten
    sich wetterfeste Planen, unter denen sich Berge von großen Kisten auftürmten,
    darunter auch ihre Vorräte und ihr Gepäck. Wenn Emma entgegen der Fahrtrichtung
    gesessen hätte, dann hätte sie in einer Kurve die lange Kette von Waggons sehen
    können, doch auf diesen Platz am Fenster hatte sich John Wittling gesetzt.
    Unter den Bänken waren ihre Koffer und der Korb mit dem Proviant verstaut. Denn
    die Frauen von Tanunda waren nicht eher zufrieden gewesen, als bis sie
    unzählige metallene Boxen mit den köstlichen Resten des großen Willkommenessens
    gefüllt und ihnen mitgegeben hatten.
    „Sie übernachten zwar
    jeden Abend in einer Pension, wo Sie etwas zu essen und auch das Frühstück
    bekommen, aber tagsüber müssen Sie doch auch etwas haben!“, hatten sie gemeint,
    und Eleanor Ruby hatte ihnen noch einen Beutel mit Äpfeln aus ihrem Garten
    mitgegeben. The Ghan , dachte Emma,
    ein seltsamer Name für einen Zug aus einer Dampflok und einer nicht enden
    wollenden Kette von Waggons. Es war die Abkürzung von „Afghan“, wie Pastor Emig
    erklärt hatte. So nannte man kurzerhand die Immigranten aus Pakistan,
    Nordindien und Afghanistan, aber auch aus der Türkei und Ägypten, die auf
    Initiative eines gewissen Samuel Stuckey seit 1866 als Begleiter ihrer Kamele,
    die man als Transportmittel nutzen wollte, nach Südaustralien geholt worden
    waren. Obwohl es in der Bevölkerung sehr große Vorbehalte gegen die Moslems und
    ihre „stinkenden“ Tiere gab, war doch nach kurzer Zeit der Nutzen für das Land
    von niemandem mehr bestritten worden. Die Kameltreiber transportierten mit
    ihren Tieren alle möglichen Güter – auch Menschen - an die abgelegensten
    Orte des kaum besiedelten Kontinents. Die Errichtung der
    Überland-Telegrafenleitung, der Bau der Eisenbahn, die Transporte zu und von
    den Kohle-, Kupfer-, und Goldminen wären ohne sie kaum zu bewältigen gewesen,
    denn Pferde und Rinder konnten weder dreihundert Kilogramm schwere Lasten
    tragen noch konnten sie auf Dauer die Hitze von bis zu fünfzig Grad Celsius und
    die extreme Wasserknappheit überstehen. Die Kamele aber überwanden schwerst
    beladen mit Eisenbahnschwellen, Metallschienen, Eisennägeln, Werkzeug,
    Lebensmitteln und Wasservorräten unendlich scheinende Entfernungen, kämpften
    sich durch tiefe Sanddünen, durch heiße Ebenen rotschwarzen Eisengesteins,
    durch stachliges Spinifex-Land, über schroffe Gebirge, Tag für Tag, oft
    wochenlang und ohne eine längere Pause.
    Tackeditack-tackeditack-tackeditack-tackeditack ... Das immergleiche Geräusch des
    Zuges, wenn die Räder über die Schweißnähte der Schienen rollen, hört sich an
    wie das Ticken einer Uhr, dachte Emma und sah zum Fenster hinaus. Die Gegend
    hatte sich verändert, war rauer geworden, nichts war mehr von den Weinbergen zu
    sehen, die sie im Barossa Valley so überrascht hatten. Über den Himmel spannte
    sich eine weiße Wolkenschicht, durch die diffuses Sonnenlicht drang.
    Das gleichmäßige Rattern
    und Klacken, wenn die Räder über die Schwellen fuhren, ließ wieder jenes vage
    Gefühl von Einsamkeit und Ausgeliefertsein in ihr aufsteigen, das sie auf dem
    Schiff, nachdem sie den Brief gefunden hatte, zum ersten Mal empfunden hatte.
    Letzte Nacht, als Paul sie so angefahren hatte, war es wieder aufgetaucht. Am
    Morgen hatte sie versucht, es zu verdrängen, was ihr durch

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