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Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition)

Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition)

Titel: Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Martini
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seltsamer
    Anblick. Alles war neu: die Weißen in ihrer seltsamen Kleidung, dunklen,
    schweren Stoffen, ihre Sprache und ihr Essen. Doch das mochte er am meisten.
    Noch nie in seinem Leben war er so oft hintereinander satt geworden. Nach und
    nach lernte er alles kennen. Lernte Damper zubereiten, Brot aus Mehl und Wasser
    und Backpulver, lernte Tee kochen, er liebte Zucker, lernte, dass man Tieren
    das Fell abzog und nur das Fleisch über dem Feuer grillte, nicht das ganze Tier
    samt Fell ins Feuer warf, wie sie es taten – und wie sie es immer noch
    taten, wenn sie nicht für Weiße kochten.
    Bald wurde der alte
    Missionar auf ihn, den kleinen Jungen, aufmerksam. Jalyuri war wissbegierig und
    hatte eine schnelle Auffassungsgabe. Er lernte ein paar Brocken Deutsch, aber
    er lernte auch Englisch, sodass er sich mit den meisten Weißen verständigen
    konnte. Als Kind faszinierte ihn besonders die weiße Kirche. Alles, was darin
    geschah, hatte etwas Geheimnisvolles. Die Gesänge, die von den Wänden
    widerhallten, und die Rituale und Worte des Pastors, die er nicht wirklich
    verstand, die ihn aber in ihren Bann zogen, weil sie von einer fremden Welt
    erzählten. Auch das Harmonium hatte es ihm angetan. Wie gern hätte er ihm einen
    Ton entlockt, aber es war strengstens verboten, sich dem Harmonium zu nähern,
    und die Frau des Missionars hütete es wie ihren Augapfel. Nach ein paar Jahren
    auf der Missionsstation war er getauft worden. Es war eine feierliche Zeremonie
    ohne Schmerzen gewesen. Anders als die Initiation in ihrem Stamm. Mit Jalyuri
    waren noch drei andere Jungen getauft worden. Zuerst waren einige Männer
    dagegen gewesen, die Kinder taufen zu lassen. Aber schließlich hatten sie
    nachgegeben: Es könnte ja durchaus auch Vorteile haben, einen solch mächtigen
    Gott, wie ihn die Weißen hatten, auf ihrer Seite zu wissen, hatten sie gemeint.
    Jalyuri dachte an
    Jungala. Jungala hätte auch schreiben und lesen lernen sollen, doch dann war
    alles anders gekommen. Er seufzte und sah auf seine Füße, die sich über die
    trockene Erde bewegten und an den weichen, sandigen Stellen einen Abdruck
    hinterließen. Die silbrigen Zweige und Blätter der Stachelgrasbüsche warfen
    winzige Schatten. Wenn plötzlich Regen käme, dann würde die Wüste erblühen.
    Überall auf dem sandigen Boden würden Blumen, saftige Kräuter, Büsche mit
    Beeren sprießen. In die vertrockneten Bäume würde wieder Leben zurückkehren,
    Blätter würden wachsen und Gräser. Die Frauen würden wieder mit vollen Beuteln
    heimkehren und die Männer mit schweren Gürteln voller Lizards, Vögel, Schlangen
    und auf den Schultern Kängurus. Die Wasserlöcher wären bis zum Bersten mit
    gutem Wasser gefüllt – trotzdem: Es würde nie wieder so werden wie früher
    ...
    Er hob den Blick zum
    Himmel. Der schwarze Vogel war verschwunden. Du musst beten, hatte ihm der
    Pastor immer wieder gesagt. Gott wird dich hören. Er betete jeden Tag. Wenn es
    die anderen nicht sahen. Aber bisher hatte er SEINE Stimme noch nicht gehört,
    auch wenn er so oft lauschte. Gott hatte sich an jenem Tag von ihnen abgewandt.
    Sie waren von allen Göttern im Stich gelassen worden. Und sie waren selbst von
    ihren Ahnen im Stich gelassen worden, weil sie ihr Land verlassen hatten.
    Vielleicht lag der Fehler damals bei seinem Vater? Und heute? Würde Jungala
    ihm, Jalyuri, irgendwann die Schuld geben für Unglück und Tod? Die Gedanken
    machten seinen Schritt schneller und leichter. Er wusste, er könnte noch viel
    schneller gehen, wenn er ein Wirinun, ein Medizinmann, wäre. Dann könnte er
    seinen Körper verlassen und nur noch Geist sein, dann würde er nur den anderen
    Ort denken, und schon wäre er wirklich dort.
    Die Sonne sank tiefer. Jalyuri
    stieg auf einen Hügel und sah hinunter. Was er entdeckte, erschreckte ihn
    nicht. Es war so, wie Nooma-Nooma berichtet hatte. Unter ihm, am Fuß des
    Hügels, bogen sich drei langstielige, dürre Eukalyptusbäume. Zwischen ihnen lag
    das Wasserloch – und dort hatten die Weißen ihr Lager aufgeschlagen.
    Blitzschnell verbarg sich Jalyuri hinter einem Felsbrocken. Drei Männer zählte
    Jalyuri, und zweimal so viele Kamele. Einer der Männer hockte am Feuer, die
    beiden anderen beugten sich ein paar Schritte entfernt über eine Kiste, an der
    Werkzeuge, Pickel und Schaufel lehnten. Sie waren gekommen, um nach Gold zu
    suchen, wie Nooma-Nooma gesagt hatte. Jalyuri beobachtete die Männer noch eine
    Weile, dann machte er sich

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