Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition)
ließen alles
heranbringen. Sie saßen in ihren Steinhäusern und warteten. Warum, fragte er
sich, gingen sie nicht dorthin, woher die Sachen kamen, und saßen dort in ihren
Steinhäusern? Weil wir die Telegrafenstation in Stuart in Betrieb halten
müssen, hieß es. Aber warum? Er hatte einmal einen Weißen, einen, der die
Leitungen reparierte, gefragt. „Damit die Nachrichten von Port Darwin nach
Adelaide geleitet werden können“, hatte der ihm geantwortet, „damit die Leute
in Adelaide wissen, was in London und in der Welt passiert.“ Er wusste, dass
London ganz, ganz weit weg war; die Missionare hatten Bilder gezeigt von
mächtigen Steinhäusern und vielen, vielen Menschen. Warum waren sie, die
Weißen, nicht dort geblieben, dann hätten sie sich all die Mühen erspart? Das
hatte er dem Arbeiter gefragt, und der hatte daraufhin laut gelacht. Warum,
wusste Jalyuri nicht, und er hatte auch nicht gefragt.
Jalyuri blieb stehen und
sah in den Himmel. Ein Vogel kreiste über ihm. Ein schwarzer Vogel mit
ausladenden Schwingen. Er ging weiter und hing seinen Gedanken nach. Als er
noch ein Kind war, lebte sein Stamm jenseits der roten Berge. Der Stamm bestand
aus seinem Vater, seiner Mutter, zwei Tanten, einem Onkel und ihm und seinem
Bruder. Jahrelang war der Regen ausgeblieben, und alle Büsche und Bäume waren
vertrocknet. Kängurus gab es keine mehr, wovon sollten sie leben? Die
Wasserlöcher waren ausgetrocknet, manchmal waren sie vergeblich einen ganzen
Tag lang unterwegs gewesen, um dann an ein Loch zu kommen, in dem nur noch ein
paar Vogelgerippe lagen. Dann stiegen seine Mutter oder eine der Tanten
hinunter und gruben mit bloßen Händen das Loch tiefer. Doch es kam kein
feuchter Sand – und erst recht kein Wasser.
Sie ernährten sich von
Lizards, Mäusen oder Schlangen. Doch die Dürre trieb sie fort. Oft waren die
Ratten schneller als sie und schnappten ihnen die Lizards weg. Dann verfolgten
sie die Ratten in ihre Löcher, gruben sie aus, und wenn sie schnell genug
waren, erbeuteten sie nicht nur den gefangenen Lizard, sondern auch die Ratte.
Wenn er seinen Vater in der Weite der Wüste von der Jagd hatte zurückkommen
sehen, einen langen, sehnigen Mann, dann hatte Jalyuri zuerst auf dessen
Gräsergürtel geschaut, das einzige Kleidungsstück, denn dort baumelte seine
Beute: die toten Körper von Lizards, Schlangen und Mäusen.
Eines Tages schließlich,
sie waren alle schon sehr schwach von der kümmerlichen Nahrung und dem
ständigen Wassermangel, hatte der Vater gesagt, dass er von einem Ort gehört
habe, wo sie alle Essen bekommen würden. Dort waren Weiße, wusste er von
anderen, die er auf seinen langen Wanderungen getroffen hatte. Einige seiner
Verwandten waren schon dorthin gegangen. „Wir verlassen unser Land“, hatte der
Vater eines Tages gesagt, und Jalyuri erinnerte sich, wie seine Mutter und die
Tanten nickten, einfach aus dem Sand aufstanden, ihren Coolamon, das Stück
Holz, auf dem Samen, Nüsse oder andere Bush Tucker gerieben und aufschlagen
wurden, auf den Kopf setzten, Jalyuri und seinen Bruder riefen und sie alle
hinter dem Vater hermarschierten. Sie waren lange unterwegs gewesen, Tage,
Wochen, mussten über die Gebirgskette wandern, wo hin und wieder spärliche
Rinnsale von Felsen tropften, wo sie manchmal auch Schlangen und Lizards
fanden. Aber sie wussten, dass sie nicht bleiben konnten. Es war das Land der
Pitjantjara, nicht ihr Land. Eines
Morgens, die Sonne war gerade aufgegangen und brachte das uralte Gebirge zum
Leuchten, hatten sie ihn endlich erreicht: den Ort der Weißen. Im Tal wuchsen
hohe Bäume, und um die Bäume geschart waren seltsame weiße, sehr, sehr große
Hütten, wie sie Yalyuri und auch sein Bruder und seine Mutter und seine Tanten
und auch sein Vater noch nie zu Gesicht bekommen hatten: weiß verputzte Häuser
aus Lehm und Stein.
Vorgelagert waren kleine
Hütten aus Ästen, alle mit einem Dach – auch das war neu für Jalyuri. Da
sie nie lang an einem Ort bleiben konnten – das Wasser reichte nur für
wenige Tage, genauso der Bush Tucker oder das Holz zum Verfeuern -, machten sie
sich nicht die Mühe, einen Unterstand zu bauen, obwohl er gegen die Hitze
manchmal sicher angenehm gewesen wäre. Aber der Aufwand war zu groß, und man
musste die Kraft für das Sammeln von Nahrung aufsparen. So schliefen und lebten
sie immer unter freiem Himmel. Die Hütten waren für seine Familie ein
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