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Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition)

Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition)

Titel: Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Martini
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ließen alles
    heranbringen. Sie saßen in ihren Steinhäusern und warteten. Warum, fragte er
    sich, gingen sie nicht dorthin, woher die Sachen kamen, und saßen dort in ihren
    Steinhäusern? Weil wir die Telegrafenstation in Stuart in Betrieb halten
    müssen, hieß es. Aber warum? Er hatte einmal einen Weißen, einen, der die
    Leitungen reparierte, gefragt. „Damit die Nachrichten von Port Darwin nach
    Adelaide geleitet werden können“, hatte der ihm geantwortet, „damit die Leute
    in Adelaide wissen, was in London und in der Welt passiert.“ Er wusste, dass
    London ganz, ganz weit weg war; die Missionare hatten Bilder gezeigt von
    mächtigen Steinhäusern und vielen, vielen Menschen. Warum waren sie, die
    Weißen, nicht dort geblieben, dann hätten sie sich all die Mühen erspart? Das
    hatte er dem Arbeiter gefragt, und der hatte daraufhin laut gelacht. Warum,
    wusste Jalyuri nicht, und er hatte auch nicht gefragt.
    Jalyuri blieb stehen und
    sah in den Himmel. Ein Vogel kreiste über ihm. Ein schwarzer Vogel mit
    ausladenden Schwingen. Er ging weiter und hing seinen Gedanken nach. Als er
    noch ein Kind war, lebte sein Stamm jenseits der roten Berge. Der Stamm bestand
    aus seinem Vater, seiner Mutter, zwei Tanten, einem Onkel und ihm und seinem
    Bruder. Jahrelang war der Regen ausgeblieben, und alle Büsche und Bäume waren
    vertrocknet. Kängurus gab es keine mehr, wovon sollten sie leben? Die
    Wasserlöcher waren ausgetrocknet, manchmal waren sie vergeblich einen ganzen
    Tag lang unterwegs gewesen, um dann an ein Loch zu kommen, in dem nur noch ein
    paar Vogelgerippe lagen. Dann stiegen seine Mutter oder eine der Tanten
    hinunter und gruben mit bloßen Händen das Loch tiefer. Doch es kam kein
    feuchter Sand – und erst recht kein Wasser.
    Sie ernährten sich von
    Lizards, Mäusen oder Schlangen. Doch die Dürre trieb sie fort. Oft waren die
    Ratten schneller als sie und schnappten ihnen die Lizards weg. Dann verfolgten
    sie die Ratten in ihre Löcher, gruben sie aus, und wenn sie schnell genug
    waren, erbeuteten sie nicht nur den gefangenen Lizard, sondern auch die Ratte.
    Wenn er seinen Vater in der Weite der Wüste von der Jagd hatte zurückkommen
    sehen, einen langen, sehnigen Mann, dann hatte Jalyuri zuerst auf dessen
    Gräsergürtel geschaut, das einzige Kleidungsstück, denn dort baumelte seine
    Beute: die toten Körper von Lizards, Schlangen und Mäusen.
    Eines Tages schließlich,
    sie waren alle schon sehr schwach von der kümmerlichen Nahrung und dem
    ständigen Wassermangel, hatte der Vater gesagt, dass er von einem Ort gehört
    habe, wo sie alle Essen bekommen würden. Dort waren Weiße, wusste er von
    anderen, die er auf seinen langen Wanderungen getroffen hatte. Einige seiner
    Verwandten waren schon dorthin gegangen. „Wir verlassen unser Land“, hatte der
    Vater eines Tages gesagt, und Jalyuri erinnerte sich, wie seine Mutter und die
    Tanten nickten, einfach aus dem Sand aufstanden, ihren Coolamon, das Stück
    Holz, auf dem Samen, Nüsse oder andere Bush Tucker gerieben und aufschlagen
    wurden, auf den Kopf setzten, Jalyuri und seinen Bruder riefen und sie alle
    hinter dem Vater hermarschierten. Sie waren lange unterwegs gewesen, Tage,
    Wochen, mussten über die Gebirgskette wandern, wo hin und wieder spärliche
    Rinnsale von Felsen tropften, wo sie manchmal auch Schlangen und Lizards
    fanden. Aber sie wussten, dass sie nicht bleiben konnten. Es war das Land der
    Pitjantjara, nicht ihr Land. Eines
    Morgens, die Sonne war gerade aufgegangen und brachte das uralte Gebirge zum
    Leuchten, hatten sie ihn endlich erreicht: den Ort der Weißen. Im Tal wuchsen
    hohe Bäume, und um die Bäume geschart waren seltsame weiße, sehr, sehr große
    Hütten, wie sie Yalyuri und auch sein Bruder und seine Mutter und seine Tanten
    und auch sein Vater noch nie zu Gesicht bekommen hatten: weiß verputzte Häuser
    aus Lehm und Stein.
    Vorgelagert waren kleine
    Hütten aus Ästen, alle mit einem Dach – auch das war neu für Jalyuri. Da
    sie nie lang an einem Ort bleiben konnten – das Wasser reichte nur für
    wenige Tage, genauso der Bush Tucker oder das Holz zum Verfeuern -, machten sie
    sich nicht die Mühe, einen Unterstand zu bauen, obwohl er gegen die Hitze
    manchmal sicher angenehm gewesen wäre. Aber der Aufwand war zu groß, und man
    musste die Kraft für das Sammeln von Nahrung aufsparen. So schliefen und lebten
    sie immer unter freiem Himmel. Die Hütten waren für seine Familie ein

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