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Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition)

Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition)

Titel: Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Martini
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auf und stellte fest, dass sie noch immer auf der Bank am Fenster des Ghan saß, der langsam, aber stetig
    tiefer und tiefer ins Innere dieses Kontinents fuhr. Tackeditack-tackeditack-tackeditack-tackeditack
    ...

    3
    Irgendwann wachte sie auf. Wie lange hatte sie geschlafen und wirres Zeug geträumt? Der
    Platz neben ihr war leer, wo war Paul? John Wittling hatte sich auf die Seite
    der Tür gesetzt, sodass sie beide mehr Beinfreiheit hatten. Er sah von seinem
    Buch auf. Nach zähen Sekunden versuchte er tatsächlich wieder ein Lächeln, aber
    sie war nicht in der Stimmung, es zu erwidern. John Wittlings Lächeln
    verschwand, ohne dass er den Blick von ihr nahm. „Ihr Mann scheint etwas
    jähzornig zu sein“, sagte er auf einmal. Emma, überrascht, dass er überhaupt
    ein Gespräch mit ihr begann, fragte vorsichtig: „Wie kommen Sie darauf?“ „Nun,
    wie er sich Ihnen gegenüber verhält ...“ John Wittling legte gewissenhaft ein
    Lesezeichen zwischen die Seiten und klappte das Buch zu. Wird das eine längere
    Unterhaltung?, fragte sie sich und verschränkte die Arme vor der Brust. „Er hat
    sich nur über diesen Journalisten geärgert!“ Es kam lauter und heftiger, als
    sie beabsichtigt hatte. John Wittling verzog eindeutig belustigt den Mund. Sie
    richtete sich auf. Das kleine Kopfkissen war auf die Sitzbank gerutscht. Sie
    nahm es und legte es auf ihren Schoß. „Amüsieren Sie sich über mich?“ „Aber
    nein, keineswegs.“ Er hob die Augenbrauen und fuhr sich mit der flachen Hand
    über sein gescheiteltes Haar. Eine Geste, die sie schon öfter an ihm beobachtet
    hatte und die ihr lächerlich vorkam. Denn seltsamerweise, obwohl der Wind ins
    Abteil wehte und sie sich ständig die blonden Strähnen aus der Stirn streichen
    musste, konnte der Wind seinem Haar nichts anhaben. Pomade, dachte sie, er
    benutzt genug Pomade. Er ist eitel. Und seine Schuhe! Sie glänzen, als ob er
    sie ständig mit einem feuchten Tuch abreibt! Darf ein Pastor eitel sein? Sie
    betrachtete ihn. Wirkte er nicht triumphierend, so mit dem Buch auf den
    übergeschlagenen Beinen, so sorgfältig gekleidet, so penibel frisiert? Und dann
    wurde es Emma klar: Er war neidisch auf Paul! Weil Paul die Mission leitete,
    und nicht er. Sie drehte sich direkt zu ihm, straffte ihren Rücken und reckte
    ihr Kinn. Verletzlich wollte sie nicht wirken. Dann sah sie ihm in die Augen,
    und seltsamerweise bemerkte sie, dass er vor ihrem Blick innerlich zurückwich.
    „Sind Sie eigentlich neidisch, John?“ Ihre Direktheit irritierte ihn, sein
    Lächeln verschwand. Sie war forscher, als er erwartet hatte. Nein ... sich
    jetzt keine Blöße geben, auf keinen Fall! Da würde er jegliche Autorität,
    jegliche Würde verlieren! Er hob die Brauen, als wäre er einfach nur erstaunt.
    „Aber, ich bitte Sie!“ Er gab seiner Stimme etwas Warmes und legte wieder ein
    Lächeln dazu. „Wir haben doch alle nur eine Aufgabe: das Wort Gottes zu lehren. Angesichts der Größe und Bedeutung dieser
    Aufgabe sollten alle menschlichen Schwächen keinen Bestand haben.“ Er sah sie
    mit all der Zuversicht an, die er auszudrücken fähig war. „Stimmen Sie mir da
    nicht zu?“ Bevor sie antworten konnte, kehrte Paul ins Abteil zurück und nahm
    wieder Platz. „Wir werden bald in Quorn sein, wo wir übernachten“, sagte er
    nach einer Weile. „Waren Sie schon mal in Quorn, John?“ „Ja. Zweimal. Quorn
    wurde nur wegen der Eisenbahn gegründet. Ein Knotenpunkt“, antwortete John
    sachlich. „Die Schafzüchter verladen dort ihre Wolle, um sie nach Port Augusta
    zu transportieren.“ Paul nickte. „Ich kann es kaum erwarten, endlich
    auszusteigen und dieses Land zu betreten!“ Genau in diesem Augenblick
    explodierte etwas, und John fiel sein Buch aus der Hand. Tausende von Schüssen
    peitschen plötzlich auf das Dach des Zuges. Emma hielt sich die Ohren zu und
    flüchtete sich in Pauls Arme. Hunderttausende von Gewehrkugeln schienen auf sie
    abgefeuert zu werden. „Was ist das?“, schrie sie. „Was, um Himmels willen, ist
    das?“ „Ich weiß nicht“, rief er und blickte nach allen Seiten. „Ich weiß
    nicht!“ Die Bremsen quietschten, der Zug ruckte und ruckte und blieb plötzlich
    stehen. Das Prasseln ging weiter, es hörte sich an wie ein Trommelfeuer - und
    zugleich ging draußen die Welt unter. Innerhalb von Minuten war der Himmel
    pechschwarz geworden. „Es ist nur ein Hagelsturm“, stellte John ungerührt fest.
    Das Kind nebenan schrie aus vollem

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