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Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition)

Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition)

Titel: Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Martini
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die
    Reisevorbereitungen und den Abschied von Pastor Emig und seiner Frau auch recht
    gut gelungen war, doch jetzt, im Zug, auf dem Weg ins Innere dieses fremden
    Landes, wurde es wieder stärker. Pastor Weiß und seine Frau waren also
    verschleppt worden ... Als Pastor Emig ihr zum Abschied die Hand gegeben hatte,
    hatte sie da nicht in seinem Blick Bekümmerung gesehen? Ahnte er, was ihnen
    bevorstehen könnte? „Gott ist mit Ihnen“, hatte er leise gesagt, so, dass nur
    sie es gehört hatte. Sie sah zu Paul hinüber. Er las. Am Morgen hatte er mit
    keinem Wort die nächtliche Auseinandersetzung erwähnt, doch sie hatte ganz
    deutlich die Kälte in seinem Blick gespürt. Auf dem Bahnhof in Adelaide hatte er eine
    Zeitung gekauft, die er gleich nach dem Einsteigen aufgeschlagen hatte. Zuerst
    war er blass geworden, dann feuerrot. „Unglaublich!“ „Was denn?“ Was konnte so
    unglaublich sein? Auch John Wittling hatte ihn mit leicht gehobenen Brauen über
    seinen dunklen, tief liegenden Augen angesehen. „Pastor Schott“, las Paul vor,
    „der auf der Seite der Deutschen gekämpft hat, soll nun eine Missionsstation
    hier bei uns leiten. Haben wir denn keine eigenen Leute, die sich der Sache der
    Eingeborenen annehmen? Lesen, Schreiben und Gottes Wort will er den
    Eingeborenen bringen. Spricht seiner Meinung nach Gott deutsch oder englisch?
    Hat denn unsere Regierung vergessen, dass die Deutschen gerade noch unsere
    Feinde waren?“ Paul blickte auf, seine Lippen bebten, auf seinem
    sommersprossigen Gesicht hatten sich rote Flecken gebildet. „Was sagen Sie
    dazu, John?“, fragte er herausfordernd. Emma fiel auf, dass John Wittling
    leicht zusammenzuckte, dann hob er die Augenbrauen und bemühte sich um ein
    beschwichtigendes Lächeln. „Nun, der Krieg“, sprach er gegen die Geräusche des
    Zuges an, „ist ja noch nicht allzu lange vorbei ...“ „Aha!“, fiel Paul ihm ins
    Wort, „Sie haben also Verständnis für, für ...“, er schlug auf die Seite, als
    könnte er so den Journalisten ohrfeigen, „... diese perfiden Unterstellungen?“
    Emma sah, dass John etwas erwidern wollte, doch Paul schien das nicht zu
    bemerken. „Das hier lesen viele, wenn nicht hunderte von Menschen! Meine Person
    und auch unsere gemeinsame Aufgabe sind in den Dreck gezogen worden!“,
    ereiferte er sich. Er hatte das Klacken der Schienen, das Zischen des Dampfs,
    das Rattern der Räder, und das Geschrei des Säuglings übertönt. Emma legte die
    Hand auf seinen Arm, um ihn zu beruhigen, doch Paul nahm davon keine Notiz.
    „Nun“, John zuckte die Schultern, „morgen gibt es eine neue Zeitung.“ Er schlug
    die Beine übereinander und musterte Paul. „Überlegen Sie sich doch mal, das
    wäre über Sie gesagt worden, John!“ Paul schlug wieder auf die Zeitung, und
    Emmas Hand rutschte von seinem Arm. „Es ist eine Ungeheuerlichkeit. Ich bin von
    Ihrer Regierung enttäuscht, John! Ich bin von diesem Land enttäuscht!“ „Aber
    Paul, das war doch nur ein Journalist. Er wollte sich aufspielen“, versuchte
    Emma ihn zu beschwichtigen. Kopfschüttelnd faltete er die Zeitung zusammen,
    ließ sie auf seinem Schoß liegen und starrte zum Fenster hinaus. Sie suchte
    Pauls Blick, doch er sah einfach weiter zum Fenster hinaus, hinter dem das Land
    immer baumloser – und einsamer wurde.
    Da auch John Wittling keinerlei Anstalten
    machte, ein Gespräch mit ihr anzufangen, stopfte sie ein kleines Kissen, das
    sie von Frau Emig bekommen hatte, unter ihren Nacken und versuchte sich zu
    entspannen. Der Lärm der Maschine, das Gezische und Geklapper der Räder und
    Gelenke beruhigten sie. Mühsam kroch die Lok mit ihrer Last das Gebirge hinauf.
    John Wittling sah hin und wieder auf, dann trafen sich ihre Blicke, doch sein
    Blick war ausdruckslos und kehrte stets rasch zu seinem Buch zurück. Warum
    sprach er nicht mit ihr? Vielleicht, weil er ihr nicht zu nahe treten wollte,
    dachte sie noch, doch dann verlor diese Frage jegliche Wichtigkeit, und sie
    überließ sich dem gleichmäßigen Rütteln und Schütteln und Rattern und Zischen
    der Eisenbahn. Sie träumte von Kamelen und endlosen Wüsten, auf die die Sonne
    herunterbrannte und in deren Sand sich Schlangen vergruben. Es tauchten aus der
    flimmernden Weite Gestalten auf, dunkle Gestalten, ihre Haut war schwarz und
    mit leuchtenden Farben bemalt. Sie trugen Speere, holten aus und warfen –
    ein Speer flog auf sie zu, die Luft schwirrte ... Emma fuhr zusammen, riss die
    Augen

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