Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition)
auf den Heimweg. Er musste sich einen sicheren Platz
für die Nacht suchen. Er kannte ein kleines Wasserloch in der Nähe. Wenn er
Glück hatte, bräuchte er dort nur ein wenig für eine Handvoll Wasser zu graben.
Sein Schritt wurde schneller. In der Dunkelheit lauerten böse Geister, die
einem die Knochen brachen oder einen zerfleischten.
Jalyuri flog beinahe. Er
sprang über scharfkantiges Geröll und spitzblättrige Büsche, rannte über den
nächsten Hügel und dort direkt auf die Wasserstelle zu, fiel auf die Knie und
sah hinunter. Es war nicht groß, vielleicht einen Arm lang im Durchmesser.
Einen halben Arm tiefer war der Sand dunkler und feucht. Er wühlte mit beiden
Händen, und tatsächlich: Kaum zwei Handbreit tiefer stieg Wasser hoch. Er
beugte sich hinunter und trank. Ein
wenig abseits des Wasserlochs, geschützt hinter einem runden
Felsbrocken, würde er schlafen. Er sammelte Zweige und alte vertrocknete Äste,
machte auf altbewährte Art Feuer und warf einen Lizard, den er gerade noch
gefangen und getötet hatte, hinein. Der Lizard war klein und brauchte nicht lange,
außerdem war Jalyuri hungrig. Es machte ihm nichts aus, wenn das Fleisch noch
halb roh war. Mit den Fingern riss er den Körper auf, puhlte die Eingeweide
heraus, warf sie ins Feuer und aß das Fleisch aus der Haut, wobei er die
Knochen ins Feuer spuckte. Nach dem Essen verspürte er noch immer Durst, aber
dann hätte er sich noch einmal in das Loch hinunterbeugen müssen, und dazu war
er zu müde. So lehnte er sich an den von der Sonne gewärmten Felsbrocken und
sah in den Himmel.
Am Rand der Welt glühte
die Sonne. Manchmal wünschte er sich, dort am Horizont zu stehen und hinunter
in die Flammen des Universums zu blicken. Doch seine Augen könnten dieses Licht
gar nicht sehen, ahnte er, es würde sie blenden, und er wäre blind für den Rest
seines Lebens auf der Erde. Noch hörte er Vogellaute. Bald würden sie
verstummen. Langsam verlosch das Feuer da hinten am Rand der Erde. Jalyuri
legte sich neben das Feuer auf den Rücken, kaute Pituri und sah hinauf in den
immer dunkler werdenden Himmel. Schon glitzerten einige Sterne. Noch musste er
sie mühsam suchen. Aber bald wäre der Himmel von leuchtenden Punkten übersät,
dann würde er die Milchstraße erkennen und die Sieben Schwestern.
Er dachte an die
Geschichte der Sieben Emu-Schwestern. Damals, in der Dreamtime, da begehrten
die Dingo-Männer die sieben Emu-Schwestern, aber diese sträubten sich und
flogen davon. Sie ließen sich unter einem Felsen nieder, doch die Dingo-Männer
hatten einen sehr guten Spürsinn, dass sie sie sehr schnell fanden. Aber sie
mussten sie unter dem Felsen hervorlocken, und so zündeten die Dingo-Männer ein
Feuer an. Die Büsche verbrannten, und der Rauch trieb die Emu-Schwestern aus
ihrem Versteck. Der Qualm hinderte sie am Fliegen, und die Dingo-Männer
glaubten schon, sie hätten leichtes Spiel. Doch als die Emu-Schwestern über die
brennenden Gräser und Büsche flohen, da wurden ihre Beine so lang, dass sie
unglaublich schnell vorankamen. Sie rannten bis zum Ende der Erde, aber die
Dingo-Männer folgten ihnen. Am Rand der Erde schließlich stiegen die
verzweifelten Emu-Schwestern hinauf in den Himmel und wurden die Sterne der
Sieben Schwestern. Die Dingo-Männer rannten auch in den Himmel und verwandelten
sich in das Sternbild des Orion. Aber die Emu-Schwestern sind immer die Ersten,
die den westlichen Horizont erreichen, und so sind sie wenigstens für eine Zeit
sicher vor den sie begehrenden Dingo-Männern. Jalyuri lachte leise. Er rollte
sich neben dem Feuer zusammen und dachte an die Dingo-Männer und an die
Emu-Frauen, die über ihm ihr Spiel trieben.
2
Als John McDouall Stuart
1862 aufbrach, um den Kontinent von Süden nach Norden zu durchqueren und eine
Landverbindung von Adelaide nach Port Darwin am Indischen Ozean zu finden,
hielt er sich an die jahrtausendealten Pfade der Aborigines, die von Wasserloch
zu Wasserloch durch die lebensfeindliche Wüste führten. Entlang dieser Route
errichtete man später die Masten für die Telegrafenlinie, welche die per
Unterwasserkabel von Java nach Port Darwin gesendeten Nachrichten über den
australischen Kontinent in den Süden nach Adelaide leiten sollten. Was lag
näher, als entlang dieser Route auch eine Eisenbahnlinie zu bauen?
„Seit fast achtzig Jahren will man eine Eisenbahnlinie durch
den Kontinent bauen, aber die Leute können
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