Das Leuchten der schottischen Wälder
Ich denke mal, der interessiert sich für dich.“
„Unsinn, wir kennen uns doch gar nicht. Wir haben keine drei Worte miteinander geredet.“
„Das glaube ich sogar“, Ellen kicherte, „reden tut der nämlich nicht gern. Mit dem ist noch keiner hier warm geworden. Ich denke mal, der redet nur mit den Tieren und mit seinen Hunden.“
Lena musste lachen. „Das könnte der Fall sein. Wenn man immer im Wald unterwegs ist, hat man eben keine Gesprächspartner.“ Dann wurde sie wieder ernst. „Aber ich bin eigentlich hergekommen, weil ich immer noch Hilfe brauche.“
„Ja, ich weiß, aber es hat noch nicht geklappt.“
„Ich brauche, wie ich dir schon sagte, eine Haushaltshilfe, die auch mal in der Praxis mithelfen kann. Jemand, der im Dorf wohnt und abends nach Hause geht. Hast du mal darüber nachgedacht? Kennst du jemanden? Deine Cousine, von der du neulich gesprochen hast, ist leider nicht gekommen.“
„Das tut mir leid, sie hatte es mir versprochen, aber ich wüsste noch jemanden.“ Ellen überlegte. „Ich könnte es noch mal bei Amy versuchen, die würde auch zu Hause wohnen wollen, weil sie noch einen Jungen zu versorgen hat.“
„Ja? Und ist sie zuverlässig?“
„Doch, ja, und sie braucht dringend Geld. Der Mann ist Saisonarbeiter. Mal bei einem Obstbauern, mal in einer Baumschule, was gerade so anfällt. Er kommt nur sonntags nach Broadfield, da kann sie dann nicht von zu Hause weg.“
„Das wäre mir recht. Und wie heißt sie?“
„Amy Carver von der Over-Farm, aber das ist schon lange keine Farm mehr. Ein bisschen Kleinvieh und ein Gemüsegarten, das ist alles, was davon übrig geblieben ist. Der Mann ist Alkoholiker, wenn du weißt, was ich meine und was das bedeutet. Da ist die Farm durch die Gurgel geflossen.“
„Aber sie ist zuverlässig und ehrlich?“
„Klar, ihre Schwester Lilly arbeitet seit zehn Jahren beim Ranger, auch nur unter Tags, da hat’s noch nie Klagen gegeben.“
„Kannst du mir die Adresse geben und den Weg beschreiben?“
„Ist besser, ich spreche vorher mit ihr. So unverhoffte Besuche, da sind die Landfrauen pingelig.“
„Na gut. Sag ihr, acht Stunden am Tag und fünf Tage in der Woche sind in Ordnung. Über den Lohn spreche ich dann selbst mit ihr.“
„Und was soll sie machen?“
„Den Haushalt, die Wäsche, den Garten, und abends müssen die Praxisräume gereinigt werden.“
„Soll sie auch kochen?“
„Das wäre schön.“
„Gut, ich sag’s ihr. Wenn sie einverstanden ist, kann sie morgen bei dir vorbeischauen und sich vorstellen.“
„Vielen Dank. Du hast mir sehr geholfen.“
„Mache ich gern.“
Lena stand auf. „Vielen Dank für den Kaffee und das Gebäck. Ich muss nach Hause, vielleicht gibt es ja doch mal einen wartenden Patienten.“
„Ich drücke die Daumen.“ Ellen ging mit nach draußen. „Ist das dein Auto? Damit kommst du hier in den Bergen aber nicht sehr weit.“
„Ja, ich weiß. Ich brauche einen Geländewagen, mit dem Cooper komme ich hier nicht weiter. Außerdem muss ich auch Platz haben, falls ich mal einen Patienten transportieren muss.“
„Richtig mit einer Krankentrage?“
„Ja, wenn ich dann ein paar Sitze umklappe, reicht der Platz.“
„Das ist gut. Ein Krankenwagen braucht oft Ewigkeiten, bis er zu uns rauskommt. Ich freue mich, dass du da bist, und komm ruhig öfter mal vorbei.“
„Danke, mache ich gern, wenn es die Zeit erlaubt.“
Lena stieg ein, winkte kurz und fuhr davon.
Zeit, dachte sie, wenn ich weniger hätte, wäre mir wohler. Sie hatte sich den Anfang schwierig vorgestellt, aber nur mit ein, zwei Anlauftagen gerechnet, doch in der Praxis rührte sich überhaupt nichts, nicht einmal telefonisch hatte man bisher ihren Rat gesucht. Sie fuhr nach Hause, aber weit und breit war kein Mensch zu sehen. Sie stellte das Auto in den Schuppen und ging ins Haus. Der Anrufbeantworter blinkte. Sie drückte den Wiedergabeknopf.
„Hier spricht Robert Newborg, ich hätte gern einen Termin. Kann ich um 15 Uhr vorbeikommen?“ Es folgte die Telefonnummer.
Lena lächelte. Na endlich, dachte sie, rief Mr. Newborg an und vereinbarte den Termin um 15 Uhr. Sie ging in die Küche, wärmte sich eine Dosensuppe und setzte sich mit dem Teller auf die Bank hinter dem Haus. Sie hatte den Platz auf der kleinen Terrasse schon als Kind gemocht. Im Frühjahr und im Herbst war es warm und sonnig, und im Sommer sorgte ein alter Apfelbaum für Schatten. Vor allem aber fühlte sie sich hier unbeobachtet. Sie
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