Das Leuchten der schottischen Wälder
habe einen schrecklichen Juckreiz. Am Hals fing es an, jetzt sind es vor allem die Arme. Richtige Quaddeln bilden sich da.“
Lena stand auf. „Zeigen Sie mal.“ Sie betrachtete die Arme, dann den Hals, nachdem er einen Seidenschal abgenommen hatte. „Ziehen Sie bitte das Hemd aus.“
„Es ist ein verrückter Kreislauf. Ich kann nicht schlafen, weil es so juckt, und weil ich nicht schlafen kann, juckt es immer mehr.“
„Haben Sie einmal einen Allergietest gemacht? Sind Sie gegen irgendetwas allergisch?“
„Nicht dass ich wüsste. Ich hatte auch bisher keinen Grund, einen Test machen zu lassen.“
„Welche Medikamente nehmen Sie ein? Viele haben Nebenwirkungen, wie zum Beispiel Juckreiz.“
„Keine Medikamente, höchstens mal ein Aspirin.“
„Sind Sie mit Tieren zusammengekommen? Oder mit Pflanzen?“
„Nicht dass ich wüsste. Das heißt, einmal habe ich eine Katze in meinem Bett vorgefunden. Die habe ich natürlich verscheucht.“
Lena nahm eine Lupe zur Hand und stellte die Lampe an. Sie untersuchte Arme, Hals und Rücken, und als sie ihn nicht mehr ansehen musste, hatte sie Mühe, ein Lachen zu verbeißen. „Sie sind mit Tieren in Berührung gekommen.“
„Aber das wüsste ich doch.“
„Sagen wir mal so: Flöhe haben Ihre Bekanntschaft gesucht.“
„Was?“ Entsetzt sprang er auf. „Das ist nicht wahr. Das gibt’s doch nicht. Aber wieso denn?“
„Sehen Sie selbst. Sehen Sie die roten Punkte in der Mitte der Quaddeln? Das sind einwandfrei die Bisse von Flöhen.“
„Oh Gott, was mache ich denn jetzt?“
„Hatten Sie das Problem schon zu Hause oder erst auf der Brownsen-Farm?“
„Seit ich hier bin. Aber ich bin dort seit Jahren zu Besuch. So etwas hat es da noch nie gegeben. Mrs. Brownsen ist so ordentlich.“
„Irgendein Tier kann sie eingeschleppt haben. Vermutlich ist die Katze daran schuld.“
„Was mache ich denn nun? Ich setze dort keinen Fuß mehr über die Schwelle.“
Lena überlegte eine Weile und musste sich ein Lachen verkneifen. Aber helfen wollte sie ihm auch. Da kam dieser eitle Typ in seinem feinen Cabrio daher, und dann hatte er Flöhe.
„Ich mache Ihnen einen Vorschlag: Sie baden hier, ich schütte ein Desinfektionsmittel ins Wasser, und Sie schrubben sich kräftig ab und cremen die betroffenen Stellen mit einer Spezialsalbe ein. Ihre gesamte Kleidung stecken Sie in einen Müllsack und bringen ihn zum Entsorgen auf eine Deponie. Das machen Sie auch mit Ihren Sachen auf der Farm. Danach kommen Sie wieder her, baden noch einmal in einer frischen Lösung, und dann fahren Sie nach Hause, lassen Ihr Auto desinfizieren und besorgen sich frische Sachen. Und von Mrs. Brownsen verabschieden Sie sich höflich, aber deutlich.“
Robert Newborg starrte Lena mit offenem Mund an. „Ich werde verrückt. Ich kann doch nicht nackt nach Inverness fahren.“
„Ich gebe Ihnen einen Arztkittel, den Autositz bedecken wir mit einem Laken, und das Verdeck schließen Sie. Dann sieht Sie keiner. Und bis Sie in Inverness ankommen, ist es dunkel.“
„Himmel, so ein Mist. Na, Mrs. Brownsen kann was erleben.“
„Lassen Sie das, die kann garantiert nichts dafür. Da hat sich ein Flohträger eingeschlichen, von dem sie selbst vielleicht gar keine Ahnung hat. Sehen Sie sich meine Praxis an. Sie ist absolut sauber, aber wer garantiert mir, dass Sie nicht so ein Vieh hier hinterlassen? Wenn Sie weg sind, muss ich alles desinfizieren – und ich bin ganz gewiss nicht schuld an dem Dilemma.“
„Auch das noch.“ Robert sah sich entsetzt um. „Die Praxis. Was machen wir denn bloß?“
„Was ich gesagt habe. Ich lasse jetzt nebenan das Wasser in die Wanne. Wenn ich rufe, kommen Sie herein, ziehen sich aus, stecken Ihre Sachen in den Beutel, den ich Ihnen hinlege, und steigen ins Wasser. Und – ordentlich abschrubben, auch wenn es weh tut oder brennt. Und wenn Sie fertig sind, liegt hier ein Arztkittel auf dem Stuhl.“
„Aber, ich …“
„Sie brauchen sich nicht zu genieren, ich bin Ärztin, Männer sind mir in keiner Weise fremd.“
Es war sechs Uhr abends, als Robert Newborg endlich in Richtung Brownsen-Farm und Inverness abgefahren war. Lena rief eine Desinfektionsfirma in Barcaldine an und bat um einen Spezialtrupp zum Reinigen der Praxis am nächsten Tag. Dann setzte sie sich auf die Gartenbank und konnte nicht verhindern, dass ihr Tränen der Enttäuschung über die Wangen liefen: Der erste Patient und eine total verseuchte Praxis.
Kapitel 11
Sehr viel öfter
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