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Das Leuchten der schottischen Wälder

Das Leuchten der schottischen Wälder

Titel: Das Leuchten der schottischen Wälder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa Canetta
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von Anteilnahme getrieben wurde. Sie ging ins Haus und kam kurz danach mit einem Windlicht, dem Rotwein und zwei Gläsern zurück.
    Sie stießen an und setzten sich wieder. Die Dämmerung war der Dunkelheit gewichen, und in dem flackernden Licht war es schwer, den anderen gut zu erkennen. Nach einer Weile fragte Patrick McDoneral leise: „Darf ich mir trotzdem Sorgen um Sie machen?“
    „Warum? Sehe ich so aus, dass man sich Sorgen um mich machen muss?“
    „Sie sind noch nicht lange hier, Sie leben allein in dem großen Haus, Sie sollten vorsichtig sein. Auch hier treiben sich manchmal zwielichtige Gestalten herum.“
    „Ich bin vorsichtig, aber zu meinem Beruf gehört auch ein offenes Haus für alle.“
    „Und was wollte dieser Dandy mit dem Cabrio einen ganzen Nachmittag lang von Ihnen?“
    „Er war ein Patient.“
    „Behandeln Sie jeden Patienten stundenlang?“
    „Das geht Sie nichts an.“
    „Ich weiß, aber fremde Wagen fallen hier auf. Da macht man sich seine Gedanken.“
    „An den Anblick werden Sie sich gewöhnen müssen, es soll vorkommen, dass Patienten ihren Arzt mit dem Auto aufsuchen.“
    „Das wird mir nicht gefallen.“
    „Was erlauben Sie sich? Was gehen Sie meine Patienten an?“
    „Hier im Dorf fährt keiner mit dem Auto zum Arzt. Hier kommt man zu Fuß oder mit dem Fahrrad.“
    „Oder mit dem Pferd?“
    „Ich bin nicht als Patient hergekommen.“
    „Sondern?“
    „Sagen wir mal, als ein Mann, der sich Sorgen macht. Was ist los, warum die Tränen? Was ist passiert?“
    „Nichts, gar nichts. Im Gegenteil, ich wünschte, es passierte endlich etwas.“
    Beruhigend legte er seine kräftige Hand auf die ihre. „Wie meinen Sie das? Sind Sie etwa abenteuerlustig? Oder warten Sie auf Mord und Totschlag? So etwas kommt hier kaum vor.“
    „Ich warte auf Patienten. Ich habe meine Praxis eröffnet, und kein Mensch lässt sich blicken.“
    „Wieso? Sie hatten doch heute einen, und einen kleinen Jungen haben Sie auch schon verarztet.“
    „Zwei Patienten in zwei Wochen. Und beide haben mir nur Pech gebracht.“
    „Pech? Das verstehe ich nicht.“
    „Der erste hat das ganze Dorf gegen mich aufgebracht, weil ich ihn ohne die Erlaubnis der Mutter behandelt habe, und der zweite hat die anständige, saubere und hygienisch einwandfreie Praxis meines Vaters verseucht, morgen muss der Desinfektionstrupp kommen.“
    „Was?“ Erschrocken zog er seine Hand zurück.
    „Ja, halten Sie nur Abstand, es könnte sein, dass Sie sonst verflöht nach Hause reiten.“
    „Wie bitte?“ Patrick lachte schallend. „Sie meinen verlaust.“
    „Nein, ich meine Flöhe.“
    „Aber man sagt nicht verflöht.“
    „Aber Sie wissen, was ich meine.“
    „Natürlich.“ Er rückte auf der Bank ein Stück näher an sie heran und erklärte lachend: „Flöhe sind auf dem Land eine normale Begleiterscheinung.“
    „Aber nicht in einer sterilisierten Arztpraxis.“
    „Das stimmt. Und deshalb die Tränen?“
    „Sollte ich etwa nicht enttäuscht sein?“
    „Doch, das dürfen Sie, aber es wird sich alles einrenken.“
    „Und wie? Man hatte mich vor der Abneigung der Bauern vor einem neuen Arzt gewarnt.“
    „Sie müssen Überzeugungsarbeit leisten, bevor Sie als Arzt arbeiten.“
    „Überzeugungsarbeit. Schönes Wort. Und wie überzeuge ich Menschen, die nicht zu mir kommen?“
    „Indem Sie hingehen.“
    Sprachlos sah sie ihn an. „Wie meinen Sie das?“
    „Ich war auch fremd, als ich hierherkam. Ich kannte keinen Menschen, und keiner kam zu mir. Ist ja auch verständlich. Aber ich brauchte Forstarbeiter, eine Sekretärin, eine Haushälterin. Also bin ich von Haus zu Haus gegangen und habe Leute gesucht. Ist mir verdammt schwergefallen, denn ich lege keinen Wert auf persönliche Kontakte und bin lieber für mich allein. Aber mir blieb nichts anderes übrig. Heute habe ich verlässliche Arbeiter, die mich auch ohne viele Worte verstehen. Aber zuerst war das verdammt schwer.“
    „Ich soll mir also meine Patienten suchen?“
    „Ja, gehen Sie in die Häuser, machen Sie Besuche, lernen Sie die Leute kennen, dann kommen die auch zu Ihnen.“
    „Ich kann doch ohne Grund keinen Hausbesuch machen.“
    „Gründe gibt es immer, für den Arzt wie für den Kneipenwirt, für den Ranger wie für den Bürgermeister und den Pfarrer.“
    Sie lachte. „Der Kneipenwirt kann sich Samstags vor Gästen kaum retten.“
    „Aber erst, wenn er sie von seiner Ehrlichkeit überzeugt hat.“
    „Und der Bürgermeister hat so viele

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