Das Leuchten des Himmels
Hause zum nach der Beerdigung stattfindenden Wiederholungsspiel, wie er so was zu nennen pflegte.
Nate kehrte an die Arbeit zurück.
Charlene lauerte Meg auf, als diese Vorräte aus ihrem Flugzeug auslud. Sie packte sie am Arm und zog sie weg von Jacob. »Ich muss ihn sehen.«
»Wen?«
»Du weißt schon, wen. Ich möchte, dass du mich nach Anchorage fliegst, zu diesem Bestattungsinstitut, in dem seine Leiche bis zum Frühjahr aufbewahrt wird. Ich habe ein Recht dazu.«
Meg studierte Charlenes Gesicht. »Also, ich kann nicht. Für heute es schon zu spät, um nach Anchorage zu fliegen, und ich habe Jobs angenommen. Das Iditerod-Rennen steht vor der Tür. Die Leute wollen die Route abfliegen, Fotos machen.«
»Ich habe ein Recht...«
»Wie kommst du darauf?«
»Nur weil wir nicht verheiratet waren, heißt das noch lange nicht, dass ich nicht seine Frau war. Seine wahre Frau, genauso wie Carrie das für Max war.«
»O Scheiße.« Meg schritt zwei Kreise ab. »Weißt du, du hast heute wirklich Klasse gezeigt, als du Carrie direkt in die Augen gesehen und ihr kondoliert hast. Und jetzt spielst du hier verrückt, weil sie die ganze Aufmerksamkeit bekommen hat.«
»Das ist es nicht.« Jedenfalls nur zum Teil, wie Charlene zugeben musste. »Ich möchte ihn sehen, und ich werde ihn sehen. Wenn du mich nicht hinbringst, werde ich Dussel in Talkeetna anrufen und in dafür bezahlen, dass er mich runterfliegt.«
»Das gärt in dir seit Max’ Totenfeier, nicht wahr? Was ist der Grund dafür, Charlene?«
»Du hast ihn gesehen.«
»Ein Punkt für mich.«
»Woher soll ich wissen, dass es ihn nicht mehr gibt? Woher soll ich wissen, dass er es ist, ohne ihn mit eigenen Augen gesehen zu haben? Wie Carrie Max gesehen hat.«
»Ich kann dich nicht hinbringen.«
»Du lässt zu, dass mich ein Fremder hinbringt?«
Meg richtete ihren Blick auf den Fluss. Es hatte eine Überschwemmung gegeben. Sprünge und Lücken im Eis, durch die das Wasser darunter hatte aufsteigen und dann dünn gefrieren können. Eine gefährliche Sache, denn das neue Eis sah genauso aus wie
der Rest, würde aber sofort unter einem wegbrechen und einen in die Tiefe ziehen.
Was man sicher glaubte, brachte einen um.
Es gab handgeschriebene Warnschilder. Auf Nates Veranlassung, wie sie wusste. Er war ein Mann, der sich mit dünnen Eisdecken bestens auskannte und mit den Gefahren dessen, was sicher und normal aussah.
»Würdest du dich mit einem Bild zufrieden geben? Einem Foto?«
»Was soll das heißen?«
Sie wandte sich ihr wieder zu. »Wenn ich dir ein Foto von ihm brächte, würde dir das reichen?«
»Wenn du runterfliegen und ein Foto machen kannst, warum …«
»Das ist nicht nötig. Nate hat Fotos. Ich kann dir eins besorgen und dir zeigen.«
»Jetzt.«
»Nein, nicht jetzt.« Sie riss ihre Mütze vom Kopf und fuhr sich mit den Fingern durchs Haar. »Er wäre nicht damit einverstanden. Beweismittel oder so. Aber ich hole es dir heute Abend. Dann kannst du es dir ansehen, damit du befriedigt bist, und danach werde ich es zurückbringen.«
Vor der Polizeiwache suchte Meg den Schlüsselbund durch, bis sie den entsprechend markierten Schlüssel fand. Nate hatte geschlafen, als sie sich davonschlich, und sie hoffte, dass er weiterschlief, bis sie wiederkam. Sie wollte ihm diese kleine Verrücktheit nicht erklären müssen.
Sie sperrte auf und nahm ihre Taschenlampe in die Hand. Sie war hin und her gerissen zwischen dem Wunsch, herumzustöbern und das Gefühl auszukosten, an einem Ort zu sein, wo sie nicht hingehörte, und dem Bestreben, ihre kleine Aufgabe zu erledigen und wieder ins Bett zurückzukehren.
Sie ging direkt in Nates Büro. Hier riskierte sie es, die Deckenbeleuchtung anzuschalten, ehe sie an die abgedeckte Korktafel herantrat.
Vorsichtig zog sie das Tuch ab. Aber es fiel ihr aus den tauben
Fingern auf den Fußboden, als sie einen schwankenden Schritt nach hinten machte.
Sie hatte schon Tote gesehen und wusste, dass es kein schöner Anblick war. Aber bei diesen prägnanten, plastischen Fotos von Max Hawbaker stockte ihr dann doch der Atem.
Lieber nicht darüber nachdenken, jedenfalls nicht jetzt. Sie nahm wohl besser das Foto ihres Vaters – wie viel sauberer sein Tod zu sein schien – und brachte es Charlene.
Sie schob es in ihre Jackentasche, drapierte das Tuch wieder über die Tafel, schaltete die Lichter aus und ging den Weg zurück, den sie gekommen war.
Charlene war in ihrem Zimmer und machte ihr in einem
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