Das Leuchten des Himmels
so müde ausgehen, als du reinkamst. Müde und gemein, überall von einer dünnen Eisschicht überzogen. Genauso sahst du aus, als du draußen vor dem Rathaus standst. Ich habe das schon ein paar Mal gesehen – immer nur ganz kurz. Polizeigesicht.«
Er sagte nichts, zog sich nur einen alten Trainingsanzug an und warf ihr ein Flanellhemd hin.
»Aber genau das hat mich auch erregt. Verrückt.«
»Es ist zu riskant, zu dir raus zu fahren. Du wirst hier bleiben müssen.«
Sie wartete einen Augenblick und ließ ihre Gedanken wieder Gestalt annehmen. »Du hast mich abgeschüttelt. Zuvor. Als wir … draußen waren.« Sie sah Yukon vor sich, den aufgeschlitzten Hals, das bis zum Heft in seiner Brust steckende Messer. »Du hast mich abgeschüttelt, und du hast mir Befehle erteilt, eine Art verbale Gewaltanwendung. Das hat mir nicht gefallen.«
Wieder sagte er nichts, sondern nahm das Handtuch, um sich die Haare trocken zu rubbeln.
»Du willst dich also nicht entschuldigen?«
»Nein.«
Sie setzte sich auf, um das geliehene Hemd anzuziehen. »Ich kannte diesen Hund, seit er ein Welpe war.« Weil ihr die Stimme versagen wollte, presste sie die Lippen aufeinander. Kontrollierte sie. »Ich hatte das Recht, aufgebracht zu sein.«
»Ich sage ja gar nicht, dass du das nicht hattest.« Er trat ans Fenster. Der Schnee war jetzt kaum mehr als Dunst. Eventuell stimmte die Vorhersage ja.
»Und ich hatte das Recht, mir Sorgen um meine Hunde zu machen, Nate. Das Recht, mich selbst um sie zu kümmern.«
»Hier kann ich dir nur teilweise zustimmen.« Er kehrte vom Fenster zurück, ließ aber die Vorhänge offen. »Es ist nur verständlich, dass du dir Sorgen machst, aber es gab keinen Grund zur Besorgnis.«
»Sie waren nicht verletzt, aber sie hätten es sein können.«
»Nein. Wer auch immer das getan hat, hat sich einen einzelnen Hund, einen alten Hund ausgesucht. Deine sind jung und kräftig und haben zwei Reihen gesunder Zähne. Sie sind praktisch ein Gespann.«
»Ich verstehe nicht...«
»Denk mal zwei Minuten nach, ehe du einfach nur reagierst.« Plötzliche Ungeduld fuhr in seine Stimme, als er das Handtuch beiseite warf. »Sagen wir, jemand will ihnen was antun. Sagen wir, jemand, auch jemand, den sie kennen und nah heranlassen werden, versucht, einem von ihnen was anzutun. Und es gelänge ihm sogar, es zu tun. Dann wäre doch der andere wie der Zorn Gottes auf ihm und riss ihn in Stücke. Und das weiß jeder, der sie gut genug kennt, um nah an sie heranzukommen.«
Sie zog ihre Knie an die Brust, drückte ihr Gesicht dagegen und begann zu weinen. Ohne aufzublicken, winkte sie ihn mit der Hand weg, als sie ihn näher kommen hörte.
»Lass. Lass mich. Lass mir eine Minute. Ich bekomm das Bild nicht aus meinem Kopf. Es war leichter, als ich wütend auf dich war oder diese Wut in Sex ummünzte. Es war mir so verhasst , einfach
nur dazusitzen und zu warten und nichts zu wissen. Und ich hatte bei allem auch Angst um dich, Angst, dir könnte was zustoßen. Und das hat mich angekotzt.«
Sie hob den Kopf. Durch den Tränenschleier sah sie sein Gesicht, sah, dass es wieder zu war. »Ich muss noch was loswerden.«
»Dann sag’s.«
»Ich... ich muss mir erst überlegen, wie ich das sagen soll, damit es nicht lahm klingt.« Sie wischte sich mit den Handflächen über die Wangen, um sie zu trocknen. »Selbst als ich wütend und verängstigt war und dir am liebsten einen Arschtritt verpasst hätte, weil du für beides verantwortlich warst, habe ich... bewundert, was du tust. Wie du es tust. Wer du bist, wenn du es tust. Ich bewundere die Stärke, die nötig ist, um das zu tun.«
Er setzte sich. Nicht neben sie, nicht aufs Bett, sondern auf den Stuhl, damit Abstand zwischen ihnen war. »Keiner, der mir je etwas bedeutet hat – keiner außerhalb meiner Arbeit -, hat je so etwas zu mir gesagt.«
»Dann, kann ich nur sagen, haben dir die falschen Leute was bedeutet.« Sie stand auf und ging ins Badezimmer, um sich zu schnäuzen. Als sie herauskam, lehnte sie sich an den Türgriff und beobachtete ihn von dort aus.
»Du bist rausgefahren, um meine Hunde für mich zu holen. Bei allem, was los war, fuhrst du raus und brachtest mir meine Hunde. Du hättest jemand anderen schicken oder es abblasen können. Die Straßen waren überflutet, da hätten sie eben warten müssen. Aber nicht mit dir. Ich habe Freunde, die dasselbe für mich getan hätten und ich für sie. Aber mir fällt kein Mann ein, mit dem ich zusammen war, kein Mann,
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