Das Leuchten des Himmels
Schule schon aus? Ist es schon so spät?« Sie strich über ihr
Haar, als ihr Blick auf ihren Schreibtisch fiel. »Und ich hänge Tagträumen nach und vergeude meine Zeit. Ich muss gleich mal nachsehen, was Big Mike uns heute als Spezialgericht zusammenrührt.«
»Ich muss mit dir reden, Charlene.«
»Aber ja doch, Süßer. Für dich habe ich immer Zeit. Ich koche uns einen Tee, dann machen wir es uns gemütlich.«
»Nein, lass das.«
»Baby, du siehst so sorgenvoll und ernst aus.« Sie trat zu ihm und strich ihm mit dem Finger über beide Wangen. »Aber du weißt natürlich auch, wie sehr ich gerade diesen Ernst an dir liebe. Er ist so sexy.«
»Lass das«, wiederholte er und nahm ihre Hände.
»Stimmt was nicht?« Ihre Finger wurden hart wie Draht über seinen. »O Gott, ist jemand, ist schon wieder jemand tot? Ich fass das bald nicht mehr. Ich halt das bald nicht mehr aus.«
»Nein. Es ist nichts dergleichen.« Er ließ ihre Hände los und wich einen Schritt zurück. »Ich wollte dir nur sagen, dass ich Ende des Schuljahrs weggehen werde.«
»Machst du Urlaub? Gehst du auf Reisen, wenn Lunacy am schönsten ist?«
»Ich mache keinen Urlaub. Ich gehe weg.«
»Wovon redest du da? Weggehen? Einfach so? Das ist doch Unsinn, John.« Das schmeichlerische Lächeln verschwand, etwas Heißes und Scharfes grub sich in ihren Bauch. »Wohin willst du denn? Was wirst du tun?«
»Es gibt viele Orte, die ich noch nicht gesehen habe, und viele Dinge, die ich noch nicht getan habe. Ich werde sie sehen. Ich werde sie tun.«
Ihr sank das Herz, als sie in sein vertrauenswürdiges Gesicht blickte. Alle, die dir was bedeuten, flüsterte es in ihrem Hinterkopf, verlassen dich. »Du lebst hier, John. Du arbeitest hier.«
»Ich werde woanders leben und woanders arbeiten.«
»Du kannst doch nicht einfach... warum? Warum tust du das?«
»Ich hätte es schon vor Jahren tun sollen, aber man lässt sich eben gern treiben. Und das Leben schwimmt einem weg. Nate hat mich letzte Woche in der Schule besucht. Einige der Dinge, die er
gesagt hat, haben mich zum Nachdenken angeregt, mich zurückblicken lassen auf... viel zu viele Jahre.«
Sie suchte nach ihrer Wut, der Antriebskraft, die sie schreien und Dinge werfen ließ. Die sie reinigte. Aber sie fand nur stumpfe Trauer. »Und was hat Nate damit zu tun?«
»Er ist die Veränderung. Der Fels im Strom, der die Veränderung mit sich bringt. Man treibt dahin, Charlene, wie Wasser in einem Strom, und da fällt einem nicht alles auf, was vorbeikommt.«
Er berührte ihr Haar und ließ seine Hand wieder fallen. »Dann fällt ein Stein ins Wasser und stört den Fluss. Das verändert Dinge. Vielleicht nur ein wenig, vielleicht aber auch viel. Aber nichts ist mehr dasselbe.«
»Ich weiß nie, wovon du redest, wenn du so drauf bist.« Mit einem Schmollmund wandte sie sich um und trat gegen ihren Schreibtisch. Bei dieser Geste musste er lächeln. »Wasser und Felsen und Ströme. Was hat das denn damit zu tun, dass du hierher kommst, um mir zu sagen, dass du uns verlässt? Dass du weggehst. Kümmert es dich eigentlich, was ich empfinde?«
»Viel mehr, als mir gut tut. Ich habe dich vom ersten Augenblick an geliebt. Das wusstest du.«
»Aber jetzt nicht mehr.«
»Doch, damals, jetzt, all die Jahre dazwischen. Ich liebte dich, als du mit einem anderen Mann zusammen warst. Und als er weg war, dachte ich: Jetzt wird sie sich mir zuwenden. Zumindest kamst du in mein Bett. Du gabst mir deinen Körper, aber geheiratet hast du einen anderen. Obwohl du wusstest, dass ich dich liebte, hast du einen anderen geheiratet.«
»Ich musste tun, was mir richtig erschien. Ich musste vernünftig sein.« Jetzt warf sie etwas – einen kleinen Kristallschwan. Aber seine Zerstörung brachte ihr keine Befriedigung. »Ich hatte das Recht, mich um meine Zukunft zu kümmern.«
»Ich wäre gut zu dir gewesen und für dich. Ich wäre gut zu Meg gewesen. Aber du hast dich anders entschieden. Du hast dich hierfür entschieden.« Er breitete seine Arme aus, um das Lodge anzudeuten. »Du hast es dir verdient. Du arbeitetest hart, bautest es dir auf. Selbst als Karl noch lebte, kamst du zu mir. Und ich ließ dich gewähren, dies mir und anderen anzutun.«
»Karl ging es nicht um Sex oder nur wenig. Er suchte nach einer Partnerin, jemandem, der sich um ihn und sein Geschäft kümmerte. Ich habe das Meine getan«, sagte sie leidenschaftlich. »Wir hatten ein Übereinkommen.«
»Du hast dich um ihn und um dieses Haus
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