Das Leuchten des Himmels
hier gewesen wärst wie vergangene Nacht, und gehört hättest, dass die Hunde so loslegen wie eben?«
»Ich wäre hinausgegangen, um den Grund zu erfahren, aber ich wäre bewaffnet hinausgegangen.«
»Mit deiner Handwaffe«, sagte sie mit einem Kopfnicken. »Mag ja sein, dass du einen Bären mit einer Handwaffe niederstrecken oder damit verjagen kannst – wenn du Glück hast und genügend Munition, ehe er sie dir aus der Hand nimmt und frisst. Meistens macht man ihn damit nur wütend. Und ein Bär, der mit Futtern beschäftigt ist oder gegen ein paar aufgebrachte Huskies kämpft? Er wäre mit meinen Hunden fertig geworden, Nate. Wahrscheinlich hätten sie ihn verletzt, ehe er sie in Stücke reißen konnte. Und wenn du mit deiner 9mm allein da draußen gewesen wärst, dann hätte er auch dich in Stücke reißen können. Sehr wahrscheinlich sogar. Ein verwundeter Bär, ein tobender Bär, der wäre dir auch durch die Tür gefolgt. Und darauf hat jemand gesetzt.«
»Wenn dem so ist, dann scheine ich ja jemanden sehr nervös gemacht zu haben.«
»Das tun Polizisten im Allgemeinen, oder?« Sie rieb mit der Hand über sein Knie, als er sich neben sie setzte. »Wer es auch gewesen sein mag, er wollte dich tot sehen oder aufs Schwerste verletzt. Und er hatte ebenfalls kein Problem damit, meine Hunde dafür zu opfern.«
»Oder dich, wenn es anders gelaufen wäre.«
»Oder mich. Also, jetzt bin ich wirklich stinksauer auf ihn.« Sie tätschelte ihm noch einmal das Knie, ehe sie aufstand, um herumzulaufen. »Dass er meinen Vater umgebracht hat, hat mir wehgetan. Aber da er schon so lange Zeit weg war, kam ich damit zurecht. Ihn zu finden und dann in eine Zelle zu stecken, das hätte mir gereicht. Aber an meinen Hunden vergreift sich keiner.«
Sie drehte sich herum und sah, dass sein halbes Lächeln zurückgekehrt
war. »Und auch nicht an dem Jungen, den ich heiraten werde, vor allem nicht, ehe er mir einen wirklich teuren Ring gekauft hat. Bist du noch wütend auf mich?«
»Nicht mehr richtig. Mir wird sich auf ewig das Bild einprägen, wie du in deinem roten Unterhöschen und der roten offenen, vom Wind aufgeblähten Bluse da draußen stehst und ein Gewehr in der Hand hältst. Aber das wirkt nach einer Weile erotisch anstatt erschreckend.«
»Ich liebe dich wirklich. Verflixt noch mal! Okay.« Sie rubbelte sich mit den Händen übers Gesicht. »Wir können diesen Kadaver nicht da draußen liegen lassen. Der zieht sonst noch andere interessierte Besucher an, und am Morgen fallen die Hunde darüber her. Ich werde Jacob anrufen, damit er mir hilft – und er kann auch versuchen herauszufinden, ob derjenige, der den Köder gelegt hat, irgendwelche Spuren hinterlassen hat.«
Sie sah sein Gesicht und trat auf ihn zu.
»Ich sehe schon, wie dein Gehirn arbeitet. Jacob war heute hier, und zwar mit Bärenfleisch. Er würde so etwas nie tun, Nate. Ich könnte dir dafür verschiedene Gründe nennen, zusätzlich zu der Tatsache, dass er ein guter Mann ist und mich liebt. Erstens würde er meine Hunde nie in Gefahr bringen. Dafür liebt und respektiert er sie viel zu sehr. Zweitens wusste er, dass ich heute Abend heimkommen würde. Ich habe zu ihm Kontakt aufgenommen, nachdem die Reparatur erledigt war. Drittens, wenn er dich umbringen wollte, dann würde er dir einfach ein Messer ins Herz stechen und dich irgendwo vergraben, wo keiner dich findet. Einfach, sauber, direkt. Aber das? Das hier war verschlagen und feige und spricht nicht gerade von Entschlossenheit.«
»Da stimme ich dir zu. Ruf ihn an.«
Als Nate am nächsten Morgen wieder in seinem Büro war, studierte er die kürzlich gesammelten Beweisstücke. Ein paar Fetzen weißes Plastik, das so aussah wie das Material, mit dem man im Corner Store die Ware einpackte, ein paar Fleischbrocken, die er in einer Beweistüte versiegelt hatte.
Und einen silbernen Ohrring.
Hatte er den nicht schon mal gesehen? Diesen Ohrring? Irgendwo
tauchte da ganz dunkel eine Erinnerung auf – ein Finger, der ans Gehirn klopfte, um es aufzuwecken.
Ein einzelner silberner Ohrring. Heute trugen Männer sie häufiger als damals. Die Moden ändern und entwickeln sich, und heute würde man keinen mehr belächeln, der zum Anzug einen Ohrring trägt.
Aber vor sechzehn Jahren? Nicht gerade üblich, nicht so häufig bei Männern. Eher was für Hippies oder Musiker, für einen Künstler, einen Motorradfahrer, einen Rebell. Und das war kein diskreter kleiner Ohrstecher oder ein kleines flottes
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