Das Leuchten in der Ferne: Roman (German Edition)
Augen.
Martens schnitt die dünnen Endstücke der Lachsfilets weg, ihm ging es um den perfekten Garpunkt im ganzen Filet, da störten die Endstücke nur.
Mit Miriam hatte er seit dem Abendessen vor zwei Wochen nur einmal noch gesprochen und nur am Telefon. Er hatte ihr mitgeteilt, dass der Wochenspiegel die Recherchen zur Geschichte von Malalai, der Bacha Posh, finanzieren und drucken wollte. Die zehntausend Dollar für das Interview seien genehmigt worden. Es war schön gewesen, Miriams glückliche Stimme zu hören, aber warum eigentlich machte es sie so glücklich? Sie erkundigte sich auch nicht danach, ob ihr Honorar in der gewünschten Höhe bewilligt worden war. Sie wollte nur am liebsten gleich sofort losfahren und war enttäuscht, als Martens ihre Erwartungen dämpfte und ihr den Abreisetermin nannte.
Erst in zwei Wochen?, fragte sie, und er sagte: Schon. Schon in zwei Wochen, Miriam.
Er erklärte ihr, dass die Vorbereitungen zu einer Afghanistan-Reise normalerweise sehr viel länger dauerten, es seien Bewilligungen nötig, man reise schließlich mit einem Kontingent der Bundeswehr. Nur dank der Beziehungen des Chefredakteurs Busch könne es in zwei Wochen schon losgehen, andernfalls hätte es zwei, drei Monate gedauert.
Martens beobachtete die Oberfläche des Olivenöls in der Bratpfanne. Als es sich leicht zu wellen begann, legte er die Lachsfilets hinein und reduzierte die Hitze. Mit einem Suppenlöffel goss er das Bratöl über die Fischstücke, damit auch die Oberseite bereits etwas Farbe annahm. Es war etwas Wunderbares, einen Fisch sanft und mit Geduld so zu braten, dass sein Kern noch fast roh und aller Saft erhalten blieb. Die Faustregel lautete: Wenn du denkst, dass der Fisch noch roh ist, nimm die Pfanne vom Herd.
Du gefällst mir, wenn du kochst, sagte Nina. Sie trank aus einem großen Kelch Rotwein und schenkte ihm ein vertrauliches Lächeln, von dem er aber das Gefühl hatte, dass es nicht ihm gehörte. Sie lieh es ihm bloß. Er lächelte zurück, und auch sein Lächeln hatte etwas Unverbindliches, er spürte auf seinem Gesicht das Maskenhafte.
Sie kannten sich seit einem halben Jahr, und es gab keine Entwicklung. Die Verlegenheit, die in Momenten der Nähe zwischen ihnen entstand, verschwand nie ganz, und sie lernten einander auch nicht besser kennen. Wenn sie sich in die Augen blickten, war es ein Erkunden, kein Finden, sie konnten einander keine Geborgenheit geben. Martens war froh, dass seine Gefühle ihn nicht dazu verführten, sich mehr zu erhoffen. Im Grunde dachte er nicht viel über Nina und sich nach. Er genoss einfach ihre Schönheit, so banal das sein mochte. Er liebte es, mit einer Strähne ihres langen, blonden Haars zu spielen, sie über sein Gesicht gleiten zu lassen. Er atmete den Duft ein, verküsste sich in Ninas weiche Halsbeuge, er war glücklich, wenn er seine Wange an der Innenseite ihrer Schenkel rieb. Das genügte ihm. Nina war eine Frau, und er war ein Mann, diese Kombination funktionierte auch ohne intime Gespräche, und sie funktionierte ohne Ehrlichkeit. Er hatte nicht das Bedürfnis, mit Nina alles zu besprechen, im Gegenteil verheimlichte er ihr fast alles. Sie wusste nicht, dass er seit Monaten keinen Auftrag mehr bekommen hatte, wusste nichts von der defekten Drosselklappe, der herausgebissenen Zahnfüllung, nichts davon, dass er pleite war und möglicherweise in Quatliam eine Frau erschossen hatte, und sie wusste nichts von Miriam. Sie wusste, dass er wegen einer Reportage nach Afghanistan reiste, es gab keinen Grund, ihr das zu verschweigen. Aber ihr von Miriam zu erzählen, sah er keinen Anlass. Es ging nicht um die Verheimlichung einer liebesbetrügerischen Absicht, er hatte einfach kein Bedürfnis, Nina von Miriam zu erzählen oder von den anderen Geschehnissen seines Lebens. Er wollte für Nina gut kochen und dann das Klüftchen zwischen ihren Brüsten küssen. Er wollte ihr Parfüm riechen, ihren Atem, ihre Berührungen spüren und das offene Fenster in ihrem Schlafzimmer sehen, durch das die Straßenlampe ein träumerisches Licht warf. Er war sicher, dass es Nina auch so ging, dass sie zwei erwachsene Menschen waren, die genau wussten, was sie einander geben konnten und was nicht.
Martens nahm die Pfanne mit dem Fisch vom Herd, und mit einem Messer, mit dem zu schneiden eine Freude war, zerkleinerte er Pinienkerne, die er in einer Sauteuse kurz in einem Hauch Öl anröstete. Lachs brauchte Biss, etwas, das zwischen den Zähnen knackte, und die
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