Das Leuchten
Eimer. »Willst du sehen, wie der Viperfisch frisst?«
»Nein!«
Trotz Gemmas Antwort öffnete Zoe das Becken einen Spaltbreit. Sie warf die zappelnde Makrele hinein und sofort begann eine Fressorgie. Gemma und Hewitt stöhnten angewidert auf und ich musste unwillkürlich lachen. Zoe war so sehr damit beschäftigt, ihre geliebten Ungeheuer zu betrachten, dass sie alles um sich herum völlig vergaß.
Gemma wandte sich von dem Behälter ab, und als sie mich sah, schenkte sie mir ein strahlendes Lächeln. Ein warmer Schauer durchfuhr mich.
»Jetzt sieht deine Schwester gar nicht mehr wie ein Engel aus«, sagte sie und kam zu mir herüber.
»Du hast sie noch nicht draußen im Haifischbecken erlebt, wenn sie herumtollt wie ein Fisch im Wasser.«
»Ich hoffe, du hast nichts dagegen.« Sie griff verlegen an die Krone auf ihrem Kopf. »Wir wollten Hewitt etwas aufmuntern.«
Ich blickte zu Hewitt, der, mit all dem Gold behängt, tatsächlich recht fröhlich wirkte. »Das war eine gute Idee.«
»Du hättest Mum erleben müssen, als sie hörte, dass du zu den Peaveys gegangen bist, obwohl die Outlaws noch dort waren«, sagte Zoe kichernd.
»Sie ist explodiert wie ein Vulkan«, bestätigte Hewitt.
»Wenn Gemma und ich nicht gekommen wären, hättet ihr ziemlich viele Tiere verloren.«
»Das hat Mum auch gesagt.« Hewitt legte die Armbrust beiseite. »Aber deine Mutter denkt offensichtlich, dass du mehr wert bist als eine Ziege. Keine Ahnung, weshalb.«
»Du musst bestimmt einen Monat lang Algen abkratzen«, mutmaßte Zoe schadenfroh.
»Algen abkratzen?«, fragte Gemma.
Ich zuckte mit den Achseln. »Das Zeug wächst auf dem Haus, also müssen wir es mit den Händen abschaben.«
»Und es ist schmierig«, fügte Zoe vergnügt hinzu. »Man braucht eine halbe Ewigkeit und die Finger fallen einem dabei fast ab.«
»Das ist auch etwas, was oben besser ist.« Hewitt warf sich auf Zoes Bett. »Man muss nie den ganzen Mist von den Häusern abkratzen.«
»Wir haben gar keine Häuser«, korrigierte ihn Gemma.
»Genau!« Hewitt setzte sich auf. »Alle leben zusammen. Kann man sich das vorstellen? Wohin man auch blickt, überall sind andere Menschen. Man schwimmt hinaus vor die Tü r …«
»Schwimmt?«, fragte Gemma.
»Oder man geht. Jedenfalls ist immer jemand da, mit dem man reden kann. Es muss echt toll sein, so viele Nachbarn zu haben.«
Zoe hörte auf, ihre Tiere zu füttern, und lauschte der Unterhaltung.
»Das Internat, in dem ich lebe, belegt zwei Etagen in einem Haus mit insgesamt fünfundsiebzig Stockwerken. Da drin gibt es mehr als tausend Wohnungen«, sagte Gemma. »Aber all diese Leute sind keine wirklichen Nachbarn.«
»Natürlich nicht«, stimmte Hewitt ihr zu. »Weil es eher wie eine große Familie ist, in der alle zusammenleben. Oben ist man nie einsam«, sagte er zu Zoe. »Sie wissen nicht einmal, was dieses Wort bedeutet.«
Gemma beugte sich zu mir. »Meint er das ernst?«
»Ich fürchte ja.«
Unbeirrt fuhr Hewitt fort: »Nie muss man etwas allein machen. Immer ist jemand da, der einem hilft. Zum Beispiel beim Essenfangen. Oder beim Seetangernten.«
Gemma machte ein Gesicht, als hätte man sie mit einem Elektroschocker gepikst.
»Hewitt kommt nicht oft nach oben«, erklärte ich ihr leise.
Hewitt hatte mich gehört. »Nie!« Er schlug mit der Faust auf die Matratze. »Ich komme nie nach oben!«
»Weil du wegläufst, sobald du einen Fuß auf trockenes Land setzt«, erwiderte ich. »Beim letzten Mal bist du in eine fremde Wohnung hineingeplatzt und hast eine Frau fast zu Tode erschreckt.«
»Ich habe nur Hallo gesagt«, verteidigte sich Hewitt. »Ich weiß überhaupt nicht, weshalb sie so geschrien hat.«
»Vielleicht, weil sie nur Unterwäsche anhatte.« Ich wusste das, weil eine peinlich berührte Sharon meiner Mutter alles ausführlich berichtet hatte.
Hewitt verschränkte missmutig die Arme vor dem Oberkörper. »Ich wollte mir nur mal ansehen, wie diese Wohnungen so sind.«
In der Ferne tauchte ein Boot auf. Es fuhr über das Tangfeld auf uns zu und zog einen Schweif aus Blasen hinter sich her.
»Dad ist zurück!«, kreischte Zoe.
»Der Strom ist wieder da und fließt regelmäßig«, sagte Dad und riss seinen Taucheranzug auf, als könnte er es nicht abwarten, ihn endlich loszuwerden. Ich nahm ihm den Helm ab und verstaute ihn. »Wie geht es Lars?«
»Bald wieder besser!«, rief Sharon von der Treppe aus. »Als wir herkamen, hat der Doc uns schon erwartet, dank Ty.« Sie baute sich
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