Das Leuchten
wie sie hinter Gemma hervorkam. »Jetzt! Die Pfütz e …« Meine Worte endeten in einem lauten Schrei, denn Shade trat wieder mit dem Fuß zu und brach mir noch eine Rippe. Obwohl ich vor Schmerzen wie betäubt war, hielt ich die Augen krampfhaft offen. Zoe kniete sich neben die Pfütze, die sich auf dem Boden ausgebreitet hatte, und tauchte einen Finger hinein.
Eine Sekunde später durchfuhr mich ein Schmerz von der Stärke eines Tsunamis. Der elektrische Schlag ließ die Nervenenden in meinem Körper zusammenschmoren. Über mir zuckte Shade, als hätte ihn ein Blitz getroffen, dann erstarrte er. Als er über mir zusammenbrach, erfasste mich eine zweite Schmerzenswelle und alles um mich herum wurde schwarz.
23
Als ich aufwachte, hatte ich einen verbrannten Geschmack im Mund und verheerende Zahnschmerzen. Neben mir schluchzte jemand. Es konnte nur Zoe sein. Ich brauchte nicht zu ihr hinüberzusehen, um zu wissen, dass sie auf den Fußballen schaukelte, den Kopf in den Nacken geworfen und den Mund weit aufgerissen.
Niemand sonst auf der Welt konnte weinen wie sie. Wahrscheinlich war eines ihrer Lieblingstiere gestorben. Ich wollte ihr sagen, dass ich ihr helfen würde, ein neues Ungeheuer einzufangen, wenn sie nur endlich aufhörte, einen solchen Lärm zu machen.
Ich schlug die Augen auf und sofort hörte Zoes Geflenne auf. Ein grelles Licht blendete mich, also machte ich die Augen gleich wieder zu. Bei jeder noch so kleinen Bewegung brannte meine Seite höllisch. Ich stöhnte auf und blinzelte Zoe an, die mich verblüfft anstarrte. Dann verschwand sie aus meinem Blickfeld, weil mein Bett nach vorne rollte.
Kein Bet t – eine Krankenbahre, stellte ich fest, als sich der Nebel in meinen Gedanken lichtete.
»Du musst jetzt nach draußen gehen«, sagte jemand. Es war die Stimme des Docs.
Etwas presste meine Brust so stark zusammen, dass mich der Schmerz bei jedem Atemzug wie ein Peitschenhieb traf. Als ich den Kopf zurücklegte, sah ich, dass man mich in einen Zylinder aus Metall schob.
»Du bist aufgewacht«, sagte der Doc. »Bleib ruhig liegen. Es wird nicht wehtun.«
Der Zylinder kam näher, in seinem Inneren flackerten seltsame Lichter. Panik stieg in mir hoch, als mich die Erinnerungen wie böse Geister heimsuchten. Ich wurde in einen Kernspintomografen geschoben. Mühsam drehte ich mich auf die Seite, meine gebrochenen Rippen brannten wie Feuer.
»Nicht bewegen, Ty!«, befahl der Doc.
Ich hob den Kopf. Da stand er, schmallippig und entschlossen. Ich sprang von der Liege, hielt mich an der Kante fest, für den Fall, dass meine Beine nicht mitmachen würde n – aber sie machten mit. Ich taumelte, nur mit einem langen Nachthemd bekleidet, zur Tür.
»Komm zurück!«, rief er mir nach.
Ich zwängte mich durch die Schwingtür und platzte in die Krankenstation, wo meine Familie neben einer Reihe von Betten stand. Auch Gemma war da. Als meine Eltern mich sahen, eilten sie zu mir. Dad war zuerst da und half mir, mich auf ein Bett zu setzen, ehe ich zusammenbrach.
Der Doc kam angerannt. »Bist du verrückt geworden?« An Mum und Dad gewandt sagte er: »Er ist aus dem Zimmer geflohen, als wollte ich ihn umbringen.«
»Er braucht nur etwas Zeit«, sagte Dad und tätschelte mir beruhigend die Schulter.
Mum setzte sich neben mich aufs Bett. Ihre Finger zitterten, als sie meine Hand nahm und damit über ihre Wange fuhr. Auf der anderen Seite des Zimmers schob Gemma den Medikamentenwagen der Krankenstation nervös hin und her wie einen Kinderwagen.
»Wer weiß, wie viel Strom er abgekriegt hat«, sagte der Doc. »Ich muss sein Gehirn auf Schäden untersuchen un d …«
»Nein!«, unterbrach ich ihn.
Ich sah eine Bewegung am Fußende des Bettes. Es war Zoe. Sie drückte ihren Spielzeughai so fest an sich, als hinge ihr Leben davon ab.
»Bitte, stirb nicht!«, flüsterte sie.
»Ich werde schon nicht sterben«, antwortete ich barsch.
»Ich wollte dir nicht wehtun.« Ein Schluchzen schüttelte sie, und was sie sonst noch sagte, war kaum zu verstehen.
Und mit einem Mal war die Erinnerung an die Ereignisse der vergangenen Nacht wieder da. An die Angst, die ich ausgestanden hatte, an den brennenden Schmerz, als meine Rippen brachen, und an Shade. Vor allem an Shade. Wie er turmhoch über mir stand, mit seinen entsetzlichen, glühenden Augen.
»Shade«, stöhnte ich und streckte die Beine aus dem Bett, um aufzustehen, doch Mum hielt mich zurück.
»Er ist hinter Schloss und Riegel«, beruhigte mich Dad.
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