Das Lexikon der daemlichsten Erfindungen
Attributen wie stehenden Messern oder geschulterten Gewehren ihr Unwesen inmitten der Blumenrabatten. Selbst große Geister wie der bedeutende Verleger Heinrich Maria Ledig-Rowohlt konnten sich der starken Aussagekraft dieser auch als »Frustzwerge« apostrophierten Spezies nicht entziehen. An der Rückwand seines riesigen Büros stand ein schlichtes, deckenhohes Bücherregal, in dem sich neben literarischen Werken auch recht eigenwillige Gartenzwerge breitmachten. Einer saß auf einem Regalbrett und angelte mit weit ausgestreckter Rute und langer Schnur frei in den Raum hinein, ein anderer lag bäuchlings zwischen den Büchern, das grimmige Gesicht ebenso wie ein Maschinengewehr auf den Besucher gerichtet.
So etwas provoziert zuweilen. Und wir würden nicht in Deutschland leben, käme es nicht wegen der Frustwichtel regelmäßig auch zu Gerichtsprozessen. Jene um Gebrauchsmusterverletzungen wegen der Produktion von Plagiaten sind noch die harmlosesten. Nach §§ 1004 I BGB und 823 I BGB haben Anlieger nämlich das Recht, die Entfernung von Gartenzwergen einzuklagen, wenn sie sich durch diese belästigt, in ihrer Ehre gekränkt oder sonst wie beleidigt fühlen. Man bedenke: Als Belästigung kann so mancher gute Deutsche bereits den erzwungenen Anblick von Kitsch empfinden, der ihm den Aufenthalt im eigenen Garten vermiest. Dazu ein Richter: »Unerheblich ist, dass es sich bei diesen Zwergen um Kunstgegenstände handelt. Die Kunstfreiheit findet ihre Grenzen in dem durch Art. 2 I mit Art. 1 I GG gewährleisteten allgemeinen Persönlichkeitsrecht.« Im Einzelnen wurde in einem konkreten Fall ein Beklagter dazu verurteilt, folgende Frustgnomen aus seinem Garten und hinter seinen Fenstern zu entfernen:
den Zwerg, der an die Nase zeigt und die Zunge herausstreckt,
den Zwerg, der den »Vogel« zeigt und die Zunge herausstreckt,
den Zwerg, der die Zunge herausstreckt und die geöffneten Hände hinter beide Ohren hält,
den Zwerg, der die Zunge herausstreckt und die Mundwinkel breitzieht,
den Zwerg, der die Zunge herausstreckt und den linken Arm an seinen Hut hält,
den Zwerg, der die Zunge herausstreckt und sich beim Ortstermin am 11.1.1994 rechts im Fenster des Anwesens des Beklagten befand,
den Zwerg, der das bloße Hinterteil zeigt und sich beim Ortstermin am 11.1.1994 neben dem unter 6. beschriebenen Zwerg befand,
den Zwerg, der die Zunge herausstreckt, gleichzeitig das Victoryzeichen zeigt und sich beim Ortstermin am 11.1.1994 im Fenster des Anwesens des Beklagten befand,
den Zwerg, der die Zunge herausstreckt, die geöffneten Hände hinter beide Ohren hält und sich beim Ortstermin am 11.1.1994 in einem zur Straßenseite hin gelegenen Fenster befand,
den Zwerg, der sich die Nase zuhält und sich beim Ortstermin am 11.1.1994 in einem zur Straßenseite hin gelegenen Fenster befand.
Kein Wunder, dass solch harte Zwergenverfolgung von Staats wegen die Entstehung von politischen Interessengruppen herausfordert. Und auch diese opponieren nicht selten gegeneinander. So entstand 1981 in Basel die Internationale Vereinigung zum Schutz der Gartenzwerge. Ihr Ziel ist die Pflege und Verteidigung der ernsthaften Nanologie (Zwergenkunde). Sie setzt sich dafür ein, dass Gartenzwerge in ihrem Sinne korrekt zu sein haben. Sie müssen also eine Zipfelmütze tragen, einen Bart besitzen undmännlichen Geschlechts sein. Ihre Größe darf 69 Zentimeter nicht überschreiten. Über solche historisch nicht mal ganz korrekten Forderungen gehen die Produzenten offenbar erfolgreich hinweg, denn heute, wie übrigens auch schon im Zwergerlgarten des Schlosses Mirabell, begegnet der Vorgartenbetrachter auch weiblichen Gartenzwergen. Vielleicht sollte sich eines der zuständigen Berliner Ministerien dieser Frage ernsthaft annehmen und die Querelen ein für alle Mal durch ein Gesetz beendigen, das entweder eine feste Quote für weibliche Gartenzwerge vorschreibt oder männerbündlerische Vereinigungen ohne historisches Bewusstsein verbietet. Bei Zuwiderhandlung drohen hohe Bußgelder.
Doch nicht alle Vereine sehen die Sache so ernst. Jedenfalls nicht die internationale Front zur Befreiung der Gartenzwerge – in Frankreich durch die Front de Libération des Nains de Jardins und in Italien durch die MALAG (Movimento Autonomo per la Liberazione delle Anime da Giardino)vertreten.Diese wohlmeinenden Organisationen befreien die possierlichen kleinen Kerlchen aus der Enge der Vorgärten und wildern sie in Wald und Flur
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