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Das Lexikon der daemlichsten Erfindungen

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Titel: Das Lexikon der daemlichsten Erfindungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix R. Paturi
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Gen- und Klon-Patente
    1873 erhielt der französische Chemiker Louis Pasteur ein epochales Patent, epochal insofern, als es das erste war, das jemals auf Lebewesen erteilt wurde. Zu seiner Zeit erregte das zwar noch kein großes Aufsehen, heute aber gilt es als Meilenstein auf einem von vielen als desaströs und gefährlich betrachteten Weg, weil er die heiß umstrittene und ethisch schwer zu beantwortende Frage impliziert: Lässt sich Leben überhaupt patentieren und was genau gilt als Lebewesen?
    Pasteur hatte nicht einmal ein Lebewesen, oder besser gesagt eine biologische Art, erfunden, sondern lediglich ein Verfahren entwickelt, das es erlaubte, eine bestimmte Hefeart in Reinkultur zu isolieren. Weil er und nur er mit dieser Hefe wissenschaftlich weiterarbeiten wollte, nutzte er das Patent, um andere Forscher davon abzuhalten. Er wollte diese Hefe allein für sich in Anspruch nehmen und Erfolg und Ruhm nicht mit seinen Kollegen teilen. Heute geht es bei dem Bemühen um vergleichbare Patente ebenfalls um Alleinstellung, allerdings in erster Linie um ökonomische. Basis für diesen neuen Trend ist die moderne Molekularbiologie, die seit den 1970er-Jahren immer stärker manipulativ und direkt in das Erbgut von Lebewesen eingreift und auf diese Weise zu modifizieren versucht. So entstehen neue biologische Arten   – Pflanzen wie auch Tiere   –, die es so in der Natur bisher nicht gegeben hat und die rein evolutionär möglicherweise auch niemals entstanden wären, da sie den Kampf ums Überleben nicht bestanden hätten.
    Der Erste, der ein Patent auf von ihm in Reinkultur gezüchtete Lebewesen erhielt, war 1873 Louis Pasteur.
    Natürlich geben industrielle Forschungsunternehmen sehr viel Geld aus, um diese naturfremden Spezies zu erzeugen, und weil diese Firmen fast niemals von Wissenschaftlern, sondern von Betriebswirten und Bankern geleitet werden, geht es natürlich um Rendite, nicht darum, die Menschheit etwa mit schädlingsresistenten Getreidearten oder für die medizinische Forschung besonders geeigneten Mäusen zu beglücken. Nur, was hier im Labor entsteht, sind Lebewesen, und es fragt sich mit Recht: Können und dürfen diese Lebewesen überhaupt geschaffen werden und wenn ja, können und dürfen sie einem einzigen »Erfinder« oder etwa einer Aktiengesellschaft zur alleinigen »Nutzung« zugesprochen werden?
    Die Patentjuristen standen anfangs vor einem großen Dilemma. Seit den 1980er-Jahren wurden sie jährlich mit Tausenden entsprechender Patentanträge bombardiert. Schon 1930 erließ die USA ein Gesetz, das es gestattete, asexuell vermehrte Pflanzen zu patentieren. Das klingt besonders befremdlich, denn bei dieser Art des Klonens wird das Lebewesen ja nicht einmal in irgendeiner Weise verändert. Im Klartext: Ein aus einem Samen aufgewachsener Weidenbaum ist nicht patentfähig, ein aus einem Steckling gezogener aber sehr wohl. Das verstehe, wer will. 1985 erlaubte das Board of Patent Appeals auch noch Patente auf Pflanzen, die sexuell oder in vitro vermehrt wurden. Tiere aber schloss man von dieser Regelung generell aus.
    Heute sieht es anders aus, denn die Antragsteller wollen primär ja gar keine neuen Tiere patentieren, sondern nur veränderte Gene, mit denen diese Tiere ausgestattet sind. Das hat auch Auswirkungen auf die juristische Situation. Zwar lehnte das United States Patent and Trademark Office 1987 noch eine Patenterteilung auf eine Auster mit einem zusätzlichen Chromosomensatz ab; aber schon ein Jahr später vergab es zwei Harvard-Forschern ein Patent auf eine transgene Maus.
    Das löste weltweit Proteste aus, und zwar aus zweierlei Gründen: Zum einen hatten sich internationale Patentjuristen mehr oder weniger darauf geeinigt, dass es ein solches Recht zur alleinigen Nutzung und gewerblichen Verwertung von Tier- oder Pflanzenrassen nicht geben dürfe. Zum anderen meldeten sich die Bioethiker zu Wort, denn die Genmaus war so »programmiert«, dass sie besonders krebsanfällig war. Sie sollte ein »ideales« Versuchstier für die Pharmaindustrie werden und sich gewinnbringend und in großen Stückzahlen verkaufen lassen.Vorprogrammiertes Leiden. Die US -Juristen setzten sich über beide Vorhaltungen hinweg: Erstens sei diese transgene Maus gar keine »Tierrasse«, zweitens müsse man den generellen Nutzen für den Menschen (hier unter anderem repräsentiert durch die Aktionäre der Pharmaunternehmen und die »Erfinder«) über das demgegenüber zu vernachlässigende Leid der

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