Das Lexikon der daemlichsten Erfindungen
Mitspielern gegenüber Verantwortung übernehmen.
Die Neurologen wissen heute, dass dies alles sichtbare Spuren im Gehirn hinterlässt, vor allem im frontalen Bereich, der nicht zuletzt für unsere Emotionen zuständig ist und in dem sich das Suchtverhalten auch gleichsam hardwaremäßig anbahnt und festschreibt.
Noch immer lebt das Tamagotchi in ständig neuen Versionen fort (so gibt es seit 2009 zum Beispiel Tamagotchis mit Infrarotschnittstelle zum Hightech-Handy), doch den Rang abgelaufen haben ihm in den letzten Jahren eine Reihe ebenso dämlicher Online-Computerspiele, allen voran FarmVille auf der Plattform Facebook. Anfang 2010 spielten es weltweit rund 80 Millionen Menschen, oft mehrere Stunden am Tag. Statt um einige wenige junge Hühnervögel hat sich der Teilnehmer jetzt gleich um einen kompletten Bauernhof zu kümmern. Er muss säen, umpflanzen, ernten, Tiere füttern und so weiter, und so weiter. Dazu unterbricht er denn auch bereitwillig mal den Fernsehkrimi kurz vor der Ergreifung des Täters, weil ihm sonst die gesamte Ernte verdirbt, ein Viehbestand krepiert oder seine zahlreichen Mitspieler aus irgendeinem Grunde sauer sind. Uhrzeiten einhalten ist wichtig!
Wer tut sich so etwas freiwillig an? Abermillionen, doch weil es immer Neues und immer noch Komplexeres im Internet gibt, scheinen auch die Stunden von FarmVille langsam (sehr langsam) gezählt. Ende 2011 war die Spielerzahl auf »nur noch« 34 Millionen gesunken. Kein Wunder eigentlich, kann man doch neuerdings ganze Privatflughäfen bauen und mit den modernsten Jets die Freunde in aller Welt virtuell besuchen, wie es die einschlägige Werbung verspricht.
Feuerwerksprojektor
Sie wollen es bei einer Party mit Ihren Freunden oder auch ganz einfach im trauten Kreis Ihrer Familie mal so richtig krachen lassen, aber leider ist gerade nicht Silvester und eine Sondergenehmigung vom Ordnungsamt bekommen Sie auch nicht, weil Sie nun mal keinen VIP -Status haben? Dann könnte der japanische Feuerwerksprojektor Uchiage Hanabi Ihr Problem lösen. Sie stellen ihn einfach auf den Wohnzimmertisch und schalten ihn ein. Sofort wirft er ein erstaunliches Lichtspektakel an Ihre Wand. Ständig starten und explodieren neue Raketen in Ihrem Wohnzimmer.
Und natürlich sehen Sie das Feuerwerk nicht nur. Sie hörenauch einen ohrenbetäubenden Lärm dazu. Nur der Pulvergestank fehlt, was dem Live-Erlebnis ein wenig Abbruch tut. Aber vielleicht können Sie in einem feuerfesten Schälchen ja ein paar alte Socken ankokeln.
Mit dem kleinen Gerät lassen sich aufregende Feiern arrangieren. Dabei kann man es an der weißen Wand so richtig krachen lassen.
Flashmob
Eigentlich begann alles als eine Art psychologisches Experiment, als am 3. Juni 2003 der New Yorker Journalist Bill Wasik zeigen wollte, wie Menschenmengen sich manipulieren und völlig sinnfrei vorführen lassen. Behavioristen hätten gesagt, Wasik habe das sogenannte Schwarmverhalten untersucht.
Geschehen war konkret Folgendes: Der Journalist animierte über Ketten-E-Mails und Internet-Chat mehr als hundert Zeitgenossen, die Sinn für Unsinn haben. Er erklärte ihnen, was er von ihnen erwartete beziehungsweise was sie wo tun sollten. Und das taten sie denn auch. Sie versammelten sich zu vereinbarter Stunde vor einem Kaufhaus und marschierten gemeinsam in die Teppichabteilung. Dort erzählten sie dem erstauntenPersonal eine eigenwillige Geschichte. Sie seien eine »Schmusegemeinschaft« und würden einen »Liebesteppich« suchen. Die Entscheidung über den Kauf könnten sie natürlich nur alle gemeinsam treffen. Danach zog der Schwarm wieder ab und begab sich, mittlerweile angewachsen, in die Empfangshalle eines großen Hotels, nur um dort genau 15 Sekunden lang zu applaudieren und dann das Haus wieder zu verlassen. Nächstes Ziel war ein Schuhgeschäft, in dem sie behaupteten, Touristen zu sein und den Laden besichtigen zu wollen. Wasik hatte sein Ziel erreicht. Er konnte nachweisen, dass Menschen jeden Unsinn mitmachen, wenn man sie dazu auffordert und, das ist eine wesentliche Voraussetzung, sie nicht allein agieren müssen, sondern sich in der Menge verstecken können. Diese Konformität, so Wasik, sei aber nicht nur ein Schutz davor, persönlich für den Unfug belangt zuwerden, sie vermittle auch ein Gemeinschaftsgefühl: »Ich gehöre zu irgendetwas dazu – ganz gleich wie sinnlos es auch ist.«
Am 27. September 2003 traf sich scheinbar spontan eine Menschenmenge vor einem Wiener
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