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Das Licht der Flüsse

Das Licht der Flüsse

Titel: Das Licht der Flüsse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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was an Ausdrucksweise schwach und geschwätzig war.Die kriegerischen und patriotischen Stücke hingegen waren allesamt weinerliche, weibische Fabrikate. Der Dichter war durch
     die Kaudinischen Pässe gegangen; er sang für eine Armee, die mit gesenkten Waffen die Stätte ihres einstigen Ruhms besucht;
     er sang nicht über den Sieg, sondern über den Tod. In der Sammlung des Hausierers gab es eine Nummer namens
»Conscrits Français«
, die man zu den wirkungsvollsten Texten gegen den Krieg zählen kann. In der Stimmung, die er erzeugt, wäre es völlig unmöglich,
     zu kämpfen. Der tapferste Rekrut würde erbleichen, wenn solch ein Liedchen neben ihm am Morgen vor der Schlacht angestimmt
     würde, ganze Armeen würden bei seiner Melodie ihre Waffen wegwerfen.
    Falls Fletcher von Saltoun hinsichtlich des Einflusses von Nationalliedern recht hat, könnte man sagen, Frankreich hat einen
     schlechten Stand. Doch die Sache wird sich von allein einrenken, ein tüchtiges und tapferes Volk wird es schließlich überdrüssig,
     über seine Katastrophen Trübsal zu blasen. Paul Déroulède hat bereits ein paar mannhafte Kriegsgedichte geschrieben. Vielleicht
     rühren sie noch nicht genug die Kriegstrommel, um das Herz eines Mannes höherschlagen zu lassen; ihnen fehlt die lyrische
     Begeisterung, und das Tempo ist zu langsam, doch sind sie in einem ernsten, ehrenwerten, stoischen Geist geschrieben, was
     Soldaten in guter Mission mitreißt. Man bekommt das Gefühl, dass Déroulède einiges zuzutrauen ist. Es wäre schön, wenn er
     seine Landsleute so weit anspornen würde, dass sie ihre Zukunft wieder selbst in die Hand nehmen. Und bis es so weit ist,
     ist er ein Gegengift für »Französische Rekruten« und andere trübsinnige Verskunst.
    Wir hatten die Boote über Nacht in der Obhut eines Mannes gelassen, den wir Carnival nennen wollen. Ich habe seinen Namen
     nicht richtig verstanden, was für ihn vielleicht gar nicht so schlecht war, weil ich nicht in der Lage bin, ihn der Nachwelt
     ehrenvoll zu überliefern. Im Laufe des Tages erreichten wir das Grundstück dieses Menschen und trafen eine kleine Abordnung
     an, die unsere Kanus inspizierte. Da war ein stämmiger Herr, der einiges über den Fluss wusste und sehr erpicht schien, dieses
     Wissen weiterzugeben. Da war ein sehr eleganter junger Herr in einem schwarzen Rock, der ein paar Brocken Englisch verstand
     und das Gespräch sogleich auf das Bootsrennen von Oxford und Cambridge lenkte. Und dann waren da noch drei hübsche Mädchen
     im Alter von fünfzehn bis zwanzig und ein alter Gentleman in Hemdsärmeln, weitgehend zahnlos und mit starkem ländlichem Akzent.
     Das war wohl die Prominenz von Origny.
    Da der Kapitän der
Cigarette
im Wagenschuppen einige geheimnisvolle Verrichtungen an seiner Takelage vornehmen musste, wurde ich mit dem Aufmarsch allein
     gelassen. Ich kam mir ganz wie ein Held vor, ob ich nun einer war oder nicht. Die Mädchen erschauderten jedes Mal, wenn von
     den Gefahren unserer Reise die Rede war. Und ich hielt es für unhöflich, mich nicht nach den Damen zu richten. Mein Missgeschick
     vom Vortag, auf beiläufige Art erzählt, machte großen Eindruck. Es war genau wie bei Othello, mit nicht weniger als drei Desdemonas
     und ein paar mitfühlenden Senatoren im Hintergrund. Nie wurde den Kanus mehr oder gewandter geschmeichelt.
    »Es sieht aus wie eine Violine«, rief eines der Mädchen verzückt.
    »Vielen Dank für diesen Vergleich, Mademoiselle«, sagte ich. »Umso mehr, da es Leute gibt, die mir nachrufen, es sehe wie
     ein Sarg aus.«
    »Oh! Aber es sieht wirklich wie eine Violine aus. Es ist vollendet wie eine Violine«, fuhr sie fort.
    »Und ist glattpoliert wie eine Violine«, fügte ein Senator hinzu.
    »Man müsste nur noch die Saiten aufziehen«, schloss ein anderer, »und dann dumdiedeldiedum« – er imitierte das Ergebnis mit
     Begeisterung.
    War dies nicht ein anmutiges kleines Lob? Wo diese Leute das Geheimnis ihrer hübschen Reden hernehmen, ist mir ein Rätsel,
     es sei denn, dahinter steckt nichts anderes als der aufrichtige Wunsch, jemandem eine Freude zu machen. Immerhin ist es in
     Frankreich keine Schande, etwas auf nette Art zum Ausdruck zu bringen, während es in England einer Rücktrittserklärung an
     die Gesellschaft gleichkommt, wenn man sich gehoben ausdrückt.
    Der alte Herr in Hemdsärmeln schlich in den Schuppen und teilte dem Kapitän der
Cigarette
ein wenig zusammenhanglos mit, er sei der Vater der drei

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