Das Licht der Flüsse
auf der gegenüberliegenden Seite. Er hatte mir angeboten,
mich herauszuziehen, doch da ich mich bereits auf die Ellbogen stützte, hatte ich abgelehnt und meinen Freund flussabwärts
geschickt, um nach der saumseligen
Arethusa
zu suchen. Die Strömung war zu stark für einen Mann, der mit seinem Kanu den Fluss hinaufrudern wollte, und mit einem zweiten
im Schlepptau war es völlig unmöglich. So krabbelte ich den Stamm hoch zum Ufer und ging über die Wiesen am Fluss entlang.
Mir war so kalt, dass sich mein Herz ganz wund anfühlte. Nun konnte ich gut nachvollziehen, warum die Schilfrohre so bitterlich
zitterten. Jedem einzelnen hätte ich eine Lektion erteilen können. Der Kapitän der
Cigarette
meinte scherzhaft, er habe gedacht, ich mache ein wenig Gymnastik, als ich näher kam, bis er mit Sicherheit erkannte, dass
ich vor Kälte schlotterte. Ich rubbelte mich mit einem Handtuch trocken und gönnte mir einen frischen Anzug aus der Kautschuktasche.
Doch für den Rest der Strecke war ich nicht mehr derselbe. Ich hatte das ungute Gefühl, dass ich meine letzten trockenen Kleider
am Leibe trug. Der Kampf hatte mich erschöpft, und vielleicht war mir mein Mut, bewusst oder unbewusst, eine wenig abhandengekommen.
Die vernichtenden Kräfte des Universums hatten sich in diesem grünen Tal, beseelt durch einen lebendigen Fluss, auf mich gestürzt.
Die Glocken waren auf ihreArt alle ganz nett, doch ich hatte ein paar dunklere Töne aus Pans Flöte vernommen. Wollte der teuflische Fluss mich wirklich
an den Fersen nach unten ziehen? Und gleichzeitig immer so schön aussehen? Die Gutmütigkeit der Natur war letztlich doch nur
ein Trugbild.
Wir mussten immer noch eine weite Strecke auf dem gewundenen Flusslauf zurücklegen, und die Dunkelheit war hereingebrochen,
und die Abendglocke läutete in Origny-Sainte-Benoîte, als wir ankamen.
Origny-Sainte-Benoîte: Ein freier Tag
Der nächste Tag war ein Sonntag, und die Kirchenglocken kamen kaum zur Ruhe; ich kann mich beim besten Willen keines anderen
Ortes entsinnen, wo den Gläubigen eine so große Auswahl an Gottesdiensten geboten wurde. Und während die Glocken lustig im
Sonnenschein läuteten, war alle Welt mit ihren Hunden zwischen den Rüben- und Rapsfeldern auf der Jagd.
Morgens zogen ein Hausierer und seine Frau im Schritttempo die Straße hinunter und sangen in sehr langsamer, trauriger Melodie
»
O France, mes amours
«. Das lockte jedermann an die Tür, und als unsere Gastwirtin den Mann hereinrief, um ihm den Text abzukaufen, hatte er keine
Kopie mehr übrig. Sie war nicht die Erste und auch nicht die Zweite, die von dem Lied ergriffen wurde. Die Liebe der Franzosen
zu traurigen patriotischen Liedern seit dem Krieg hat etwas Mitleiderregendes. Ich habe in der Gegend um Fontainebleau einen
Förster aus dem Elsass beobachtet,während jemand bei einer Tauffeier »
Les malheurs de la France
« sang. Er stand vom Tisch auf und zog seinen Sohn mit sich. »Hör hin, hör hin«, sagte er ganz in meiner Nähe und umklammerte
die Schultern des Knaben, »und vergiss es nicht mehr, mein Sohn.« Kurz darauf ging er plötzlich hinaus in den Garten, und
ich konnte ihn in der Dunkelheit schluchzen hören.
Die Demütigung ihrer Armee und der Verlust von Elsass und Lothringen war für die Duldsamkeit dieses empfindsamen Volks ein
herber Schlag, sie sind immer noch wütend, weniger auf Deutschland als auf das Kaiserreich. In welchem anderen Land würde
ein patriotisches Lied alle Welt auf die Straße locken? Doch Leid vergrößert die Liebe, und wir werden erst wissen, dass wir
Engländer sind, wenn wir Indien verloren haben. Das unabhängige Amerika ist mir noch immer ein Dorn im Auge; ich kann nicht
ohne Abscheu an Farmer George denken, und ich habe stärkere Gefühle für mein eigenes Land, wenn ich das Sternenbanner sehe
und mich daran erinnere, was aus unserem Empire hätte werden können.
Das kleine Buch des Hausierers, das ich kaufte, war eine eigenartige Sammlung. Seite an Seite mit dem frivolen, derben Unsinn
der Pariser Varietés enthielt es viele volkstümliche Stücke, meiner Meinung nach nicht ohne eine gewisse Poesie und erfüllt
von der tapferen Unabhängigkeit der ärmeren Klassen Frankreichs. Da konnte man lesen, wie der Holzfäller seine Axt rühmte
und der Gärtner sich weigerte, sich seines Spatens zu schämen. Diese Arbeiterpoesie war nicht sehr gut geschrieben, doch die
Kraft der Gefühle glich aus,
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