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Das Licht der Flüsse

Das Licht der Flüsse

Titel: Das Licht der Flüsse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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genommen,dass ich kaum damit rechnete, dass sie sich dazu herablassen würden, uns eine Rechnung vorzulegen. Doch das taten sie, mit
     ein paar beträchtlichen Einzelposten; wir zahlten auf zivilisierte Weise bei einem desinteressierten Angestellten und verließen
     weiterhin unbeachtet das Hotel mit unseren Kautschuktaschen. Niemand scherte sich um uns. Es ist unmöglich, vor einem Dorf
     aufzustehen; doch Compiègne war eine so große Stadt, dass sie es morgens gemütlich angehen ließ, wir waren auf und davon,
     als sie noch in Schlafrock und Hausschuhen steckte. Die Straßen waren den Leuten überlassen, die ihre Türschwellen putzten.
     Niemand war fertig angezogen außer den Kavalieren auf dem Rathaus; sie waren mit Tau gewaschen, blitzblank in ihrer Vergoldung,
     voll Einsicht und beruflichem Verantwortungsgefühl.
Kling
, schlugen sie um halb sieben, als wir vorbeigingen. Ich war ihnen für diesen freundlichen Abschiedsgruß dankbar; sie waren
     nie in besserer Form, nicht einmal sonntags zur Mittagsstunde.
    Niemand kam, um uns zu verabschieden, außer den frühen Wäscherinnen – früh und spät –, die in ihrer schwimmenden Wäscherei
     am Fluss bereits das Leinen klopften. Sie waren auf ihre Art sehr frisch und munter, tauchten tapfer ihre Arme ins Wasser
     und schienen den Schock nicht zu spüren. Für mich wäre es deprimierend, dieses frühe Beginnen und das erste kalte Planschen
     eines niederdrückenden Tagwerks. Ich glaube aber, sie hätten ebenso ungern mit uns getauscht wie wir mit ihnen. Sie versammelten
     sich, um zuzusehen, wie wir in die dünnen sonnenbeschienenen Nebelschwaden auf dem Fluss hineinpaddelten, und riefen uns herzlich
     nach, bis wir unter der Brücke hindurch waren.

Andere Zeiten
    Ich habe das Gefühl, als hätten sich diese Nebelschwaden die ganze Reise über nicht mehr gelichtet, und von da an liegen sie
     dicht in meinem Notizbuch. Solange die Oise ein kleiner ländlicher Fluss war, trug sie uns nah an die Türen der Menschen,
     und wir konnten uns auf den anliegenden Feldern mit den Einheimischen unterhalten. Doch nun, da er so breit geworden war,
     zog das Leben am Ufer in einiger Entfernung an uns vorüber. Es war derselbe Unterschied wie zwischen einer großen Durchfahrtsstraße
     und einem Seitenweg auf dem Land, der in die Cottagegärten hinein- und herausführt. Nun landeten wir in Städten, wo niemand
     uns mit Fragen plagte. Wir waren in das zivilisierte Leben getrieben, in dem Leute vorübergehen, ohne zu grüßen. An spärlich
     besiedelten Orten machen wir aus jeder Begegnung das Beste, doch in den Städten bleiben wir für uns und reden mit keiner Menschenseele,
     außer wenn wir einer auf die Zehen getreten sind. In diesen Gewässern waren wir nicht länger komische Käuze, und niemand hielt
     uns für Weitgereiste, sondern nur für Besucher aus der nächsten Stadt. Ich erinnere mich zum Beispiel an unsere Landung in
     L’Isle Adam, wo wir auf Dutzende Vergnügungsboote mit Nachmittagsgesellschaften trafen, und es gab nichts, was den echten
     Reisenden von dem Amateur unterschieden hätte außer vielleicht der verschmutzte Zustand meines Segels. Die Passagiere auf
     einem der Boote hielten mich sogar für einen Nachbarn. Hat es je eine größere Kränkung gegeben? Das war alles, was von der
     Romantik noch übrig war. Nun, auf der oberen Oise, wo normalerweise niemand außer den Fischenunterwegs war, konnte man zwei Kanuten nicht so einfach wegerklären. Wir waren seltsame und malerische Eindringlinge; aus
     dem Staunen der Leute entsprangen eine vorübergehende Vertrautheit und eine Art Licht, das uns während der ganzen Reise begleitete.
     In dieser Welt gibt es nichts außer »Wie du mir, so ich dir«, obwohl es manchmal nicht so leicht zu erkennen ist: Denn die
     Rechnungen sind älter als wir, und seit Anbeginn der Zeit sind sie noch nicht beglichen worden. Unterhaltung bekommt man ungefähr
     im selben Ausmaß, in dem man selber unterhaltsam ist. Solange wir eine Art sonderbare Wanderburschen waren, die man begaffen
     und denen man nachlaufen konnte wie einem Quacksalber oder einem Wanderzirkus, erhielten wir im Gegenzug nie zu wenig Vergnügen.
     Doch sobald wir zu normalen Leute wurden, waren alle, die wir trafen, ebenfalls entzaubert. Und dies ist einer von dutzend
     Gründen, warum die Welt langweiligen Leuten langweilig erscheint.
    Bei unseren früheren Abenteuern gab es fast immer etwas zu tun, und das belebte uns. Sogar die Regenschauer hatten

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