Das Licht der Flüsse
Söhne von Aymon
reisten munter mit uns stromabwärts. Wir wechselten Flussuferfreundlichkeiten mit dem Steuermann, der inmitten einer Holzladung
thronte, oder dem Treiber, der heiser war vom Schimpfen auf seine Pferde; Kinder kamen und schauten über die Reling, als wir
vorbeipaddelten. Uns war die ganze Zeit über nicht bewusst gewesen, wie sehr wir sie vermisst hatten, doch der Anblick des
Rauchs aus ihren Schornsteinen brachte uns in Schwung.
Wenig später kam es zu einem noch bedeutsameren Treffen. Denn die Aisne schloss sich uns an, ein bereits weitgereisterFluss, frisch aus der Champagne. Hier endete die Jugend der Oise, es war ihr Hochzeitstag; von nun an floss sie stattlich
und satt dahin, ihrer eigenen Würde bewusst und verschiedene Stauseen füllend. Der Fluss wurde zu einem friedlichen Teil der
Landschaft. Die Bäume und Städte betrachteten sich in ihm wie in einem Spiegel. Leicht trug er die Kanus auf seiner breiten
Brust; man musste nicht hart gegen Wirbel ankämpfen, stattdessen standen Müßiggang auf der Tagesordnung und ein schlichtes
Eintauchen des Paddels, mal auf dieser, mal auf jener Seite, ohne Nachdenken oder Anstrengung. Nun gerieten wir wirklich in
wahrhaft freundliches Wetter und trieben wie Gentlemen auf das Meer zu.
Als die Sonne unterging, erreichten wir Compiègne, dieses schöne Profil einer Stadt über dem Fluss. Ein Regiment marschierte
zum Trommelschlag über die Brücke. Menschen bummelten auf dem Kai, einige fischten, andere blickten müßig auf den Strom. Und
als die beiden Boote über das Wasser flitzten, konnten wir sehen, wie sie auf sie zeigten und miteinander sprachen. Wir landeten
an einer schwimmenden Wäscherei, wo die Frauen immer noch die Kleider klopften.
In Compiègne
Wir kehrten in einem großen, geschäftigen Hotel in Compiègne ein, wo niemand unsere Anwesenheit beachtete.
Reservisten und allgemeiner Militarismus (wie die Deutschen es nennen) nahmen überhand. Ein Lager mit kegelförmigen weißen
Zelten vor der Stadt sah aus wie aus einer Bilderbibel; Schwertgurte zierten die Wände der
cafés
, und denganzen Tag dröhnte Militärmusik durch die Straßen. Für einen Engländer war es unmöglich, ein Glücksgefühl zu unterdrücken,
denn die Männer, die der Trommel folgten, waren klein, ihr Marschieren war armselig. Ein jeder neigte sich in einem anderen
Winkel und holperte nach eigenem Gutdünken vorwärts. Da war nichts von dem prächtigen Gang, mit dem ein Regiment hochgewachsener
Highlander seiner Musik folgt, feierlich und unvermeidlich wie ein Naturphänomen. Wie kann derjenige, der das gesehen hat,
den Trommelmajor an der Spitze, die Tigerfelle der Trommler, die schwingenden Plaids der Pfeifer, den seltsam elastischen
Rhythmus des Regiments im Gleichschritt vergessen und den Schlag der Trommel, wenn die Trompeten verstummen und die schrillen
Querflöten die martialische Geschichte fortsetzen?
Ein Mädchen, das in Frankreich zur Schule ging, begann ihren französischen Schulkameraden von der Parade eines unserer Regimenter
zu berichten; als sie fortfuhr, so erzählte sie mir, wurde ihre Erinnerung so lebendig, ihr Stolz, Landsmännin solcher Soldaten
zu sein, und ihr Schmerz, in einem anderen Land zu leben, so stark, dass ihre Stimme versagte und sie in Tränen ausbrach.
Ich habe dieses Mädchen nie vergessen, und ich denke, sie hat schon fast ein Denkmal verdient. Sie eine junge Dame zu nennen,
mit all den affektierten Assoziationen, käme einer Beleidigung gleich. Dessen aber kann sie auf alle Fälle sicher sein: Auch
wenn sie nie einen heldenhaften General heiraten und in ihrem Leben keine großen oder unmittelbaren Erfolge erzielen wird,
hat sie für ihr Heimatland nicht vergeblich gelebt.
Auch wenn sich französische Soldaten auf Paraden unvorteilhaft präsentieren, sind sie beim Marschieren fröhlich,munter und willig wie eine Schar Fuchsjäger. Ich erinnere mich an den Anblick einer Kompanie im Wald von Fontainebleau, auf
der Straße von Chailly, zwischen dem Bas-Bréau und der Reine Blanche. Ein Bursche ging der Truppe in einigem Abstand voran
und sang ein lautes, verwegenes Marschlied. Die anderen rührten ihre Füße und schwangen sogar ihre Musketen im Takt. Ein junger
Offizier zu Pferd hatte große Mühe, bei dem Liedtext die Fassung zu bewahren. Etwas so Fröhliches und Spontanes wie ihre Gangart
hat man noch nicht gesehen, nicht einmal Schuljungen bei der Schnitzeljagd sind so
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