Das Licht der Flüsse
gewagt hätte, im Hôtel Chevillon einzukehren, hätte er sich in ein Hornissennest gesetzt.
Stevenson sagte immer, er hoffe, in einem Straßengraben zu sterben. Er muss sich darüber wortreich und mitsamt seinem unvergleichlichen
Humor ausgelassen haben, denn obwohl ich die Einzelheiten vergessen habe, ist mir das Bild von ihm als einem weißhaarigen
und dahinscheidenden Wanderer unauslöschlich im Gedächtnis geblieben. Es bereitete mir einigen Kummer, dass dies sein Ende
sein sollte, während einfache Bankiers in glitzernden Equipagen blindlings und verächtlich vorbeiklimperten. Doch die Tragödie,
die Bob überschattete, war noch schlimmer. Bob hatte seine bescheidene Erbschaft in zehn gleiche Teile geteilt, und nachdem
er diese Jahr für Jahr ausgegeben habenwürde, wollte er Selbstmord begehen. Ich habe ihm nie dabei zugesehen, wie er ein paar Münzen für Tabak ausgab, ohne das ungute
Gefühl, er hätte soeben sein Leben verkürzt.
So jung ich auch war, blieb es mir nicht verborgen, dass Stevenson und meine Mutter eine große Zuneigung zueinander empfanden
oder vielmehr endlos zu beiden Seiten des Esszimmerofens saßen und redeten, während alle anderen draußen, unter großen weißen
Schirmen, auf den Wiesen und in den Wäldern, ihren Beschäftigungen nachgingen. Ich gewöhnte mich daran, sie als ständiges
Paar zu betrachten, und auf eine merkwürdige, kindliche Weise schien es mich glücklich zu machen. Ich hatte Luly Stevenson,
wie ich ihn nannte, zu lieben begonnen. Er pflegte mir aus
Pilgrim’s Progress
und
Tales of a Grandfather
vorzulesen und Geschichten zu erzählen, die er sich selber ausgedacht hatte. Er gab mir ein Gefühl der Geborgenheit und Wärme,
und obwohl ich viel zu schüchtern war, um es laut auszusprechen, war er der Figur Großherz in dem Buch so ähnlich, dass ich
ihm insgeheim diesen Namen gab.
Als der Herbst in einen frühen Winter überging und es für uns an der Zeit war, nach Paris zurückzukehren, war ich überglücklich,
als meine Mutter mir sagte: »Luly kommt auch mit.«
Das Ende des Regenbogens
Fanny Vandegrift Stevenson
»Wir sind weit weg von zu Haus«, murmelte ein sterbender Schotte, als mein Mann ihn am Boden einer Eingeborenenhütte auf einer
der Inseln der Tukalau-Gruppe fand. Es scheint sonderbar, dass der Schotte, dessen Heimatliebe nur mit der des Schweizers
vergleichbar ist, der größte Wanderer auf dem Antlitz der Erde sein sollte, abgesehen vom Juden, der zumindest die Ausrede
hat, zu einem Volk ohne Land zu gehören.
Mein Mann wurde mit der schottischen Sehnsucht nach dem »Ende des Regenbogens« geboren. Schon in seinem Kinderzimmer zerrte
er an den Haltestricken und war immer dann am glücklichsten, wenn ihm erlaubt wurde, seine Mutter auf ihren Reisen nach Südfrankreich
zu begleiten. Dort, in Menton, erwarb das Kind einen Akzent und ein Vokabular, die ihn für den Rest seines Lebens begleiteten.
Er hatte nur spärliche Kenntnisse in französischer Grammatik (wie eigentlich in jeder Grammatik), sprach den Dialekt jedoch
so freimütig und präzise, dass er überall in Frankreich als Einheimischer akzeptiert wurde, der lediglich aus einer anderen
Provinz stammte. Eines Tages in Nizza, von einem langen Spaziergang erschöpft, kehrte er in einer armseligen Spelunke ein.
Ein paar schurkisch aussehende Kerle am Nachbartisch schwiegen plötzlich, musterten ihn einigeAugenblicke scharf, lauschten seiner Bestellung und fuhren dann in ihren Gesprächen fort, wohl wissend, dass sie nichts zu
befürchten hatten. Sie sprachen über ihren Hass auf die Engländer und den Plan, den ersten Engländer, der das Lokal betrat,
zu vergiften und auszurauben.
Als der Knabe zum Mann wurde, machten ihm die schottische Rastlosigkeit und seine eigene Abenteuerlust ein untätiges Leben
schier unerträglich. Nur das Wissen, dass es seinem Vater das Herz brechen würde, hielt ihn davon ab, dem Rat von Mr. Seed
(dem späteren Regierungsbeamten in Neuseeland) zu folgen und zu den Inseln von Samoa zu reisen. Wie er die Überfahrt hätte
bezahlen wollen, kann ich mir nicht vorstellen, da nicht nur der kleine Betrag an Taschengeld, den sein Vater ihm gewährte,
für diesen Zweck unzureichend gewesen wäre, sondern er auch noch einen kranken Freund im Hospital hatte, dessen Wohlergehen
von jener winzigen Summe abhing. Lange Zeit war er gezwungen, sich mit Phantasiereisen zufriedenzugeben. Gegen Ende seines
Lebens fand er
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