Das Licht der Hajeps (German Edition)
der Himmel warum, jemand packte Margrit an der Schulter, so grob, dass es richtig weh tat und riss sie zurück.
‚Das Alien!‘ schoss es ihr durchs Gehirn. Margrits Kopf fuhr herum und Entsetzen ließ dabei das Blut aus ihrem Gesicht weichen. Sie starrte in diese Augen, samtig braun waren sie und blitzten sie selig an.
„Ach, du bist es nur!“ keuchte sie erleichtert.
„Was heißt hier ‚nur‘? Wo habt ihr die ganze Zeit gesteckt?“ knurrte Paul. „Beinahe wärt ihr auch noch an mir vorbei! Habt ihr mich nicht gesehen?“
Margrit nickte. „Oh Gott, hab’ ich mich erschreckt, davon muss ich mich erst einmal erholen!“ keuchte sie und lehnte ihre heiße Stirn an seine Brust. Julchen die Paul immer noch auf dem Arm hielt streichelte ihr deshalb tröstend übers Haar. „Arme Mama!“ wisperte die Kleine.
„Du hast dich erschreckt?“ empörte sich Paul. „He, ich hatte Freude erwartet, dass du mich endlich wieder hast. Margrit jetzt enttäuschst du mich aber …“
„Ach, komm Paul, sicher hast du diese Schreie auch gehört … na egal!“
„Das ist nicht egal! Sag bloß, du hast mich verdächtigt, solch ein komisches Alien zu sein!“
„Das ist doch jetzt Wurst! Wo ist Muttsch? Sie ist nicht gekommen, richtig?“
„Richtig! Also, das ärgert mich jetzt doch, das mit dem Alien!“
„Ärgere dich nur weiter, aber halte mich fest. Denn ich muss erst mal verkraften, dass wir Muttsch nicht gefunden haben!“
„Scheiße, die arme Oma!“ heulte Tobias. „Und der arme Munk!“
„He, der bunte Schirm hinter deinem Rücken. Paul? Der kommt mir aber bekannt vor!“ keuchte Margrit verdutzt. Paul grinste.
Nun schlich sie um ihn herum und Tobias folgte ihr. „Muttsch?“
„Oma?“ kreischte Tobias begeistert, Paul lachte in sich hinein und Julchen quietschte vor Vergnügen.
„Margrit, Tobias!“ krächzte die alte Dame, von Tränen halb erstickt. „Und das nach so langer Zeit - endlich!“ Als erstes plumpste ihr Tobias in die ausgebreiteten Arme. Beide kreischten so laut, dass es sogar den allgemeinen Lärm übertönte. „Ist es nicht herrlich, sich in solch einer wirren Welt trotzdem wiederzusehen?“ meinte Muttsch schließlich und musste sich dabei auf ihren Schirm stützen, denn ihr war ein bisschen schwindelig.
„Da hast du Recht!“ schniefte Margrit und konnte, nachdem Tobias seine Oma losgelassen hatte, ihre Mutter ebenfalls an ihr Herz drücken.
Paul gemahnte: „Vorsicht, Vorsicht! Deine Mutter könnte ja in Wahrheit längst ein Alien geworden sein!“ Sie starrte ihn entgeistert an und er lachte prustend los.
„Also wirklich, Paul!“ schimpfte sie. „Das finde ich gar nicht witzig!“
„Ich schon!“ quietschte er.
Margrit nahm ihre Mutter in die Arme. „Ich bin unendlich glücklich, dass du es geschafft hast zu überleben, Muttsch.“ Sie warf Paul, der sich die Lachtränen mit seiner breiten Hand wegwischte, dabei einen strafenden Blick zu. „Mich dermaßen anzuschmieren und meine Mutter vor mir zu verstecken - pfui!“
„Aber so war es doch eine richtig geglückte Überraschung, das musst du schon zugeben, Margrit. Außerdem, wer hat schon immer gesagt, dass eure Muttsch noch am Leben sein wird - wer?“ Paul klopfte sich stolz an die Brust.
„Der Paul natürlich!“ riefen die Kinder im Chor.
„He, die mögen mich ja plötzlich!“ murmelte Paul verdutzt.
Aber Margrit hörte ihm nicht mehr zu. Beide Frauen mussten einander wenigstens in kurzen Worten schildern, was sie so alles in diesen sechs Monaten durchgemacht hatten und wie es ihnen schließlich gelungen war, zu diesem Bahnhof zu kommen. Tobias hatte indes die Zeit genutzt, sich endlich Munk, Omas meist verdrießlichen Kater, zuzuwenden, den sie immer in einem kleinen, fest verriegelten Körbchen mit sich zu schleppen pflegte.
Nachdem Munk Tobias zur Begrüßung durch die Gitterstäbe hindurch tüchtig gekratzt hatte, drängte Paul die Familie zur Eile, denn der Zug sollte gleich kommen.
Kapitel 4
Man quetschte sich wieder an den vielen zerlumpten Leibern, die beladen waren mit Rucksäcken, Kisten, Koffern, zusammengerollten Zelten und Decken, mit größter Kraftanstrengung vorbei. Paul lief vorneweg, um notfalls den Weg freikämpfen zu können. Muttchen tappte hinter ihm drein, meist ein wenig schwankend in ihren dick besohlten Herrenschuhen, erst danach kamen die Kinder.
Es kam vor, dass selbst Paul einfach nicht mehr gegen diesen stinkenden Brei von Menschen ankam, ja, von diesem
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