Das Licht der Hajeps (German Edition)
Nostradamus. Hat der nicht gesagt, dass nach den vielen Naturkatastrophen der große Schreckenskönig kommen wird?“ Sie rieb sich nachdenklich die niedrige Stirn.
„Schreckenskönig?“ grinste Margrit ungläubig, nachdem es endlich wieder etwas ruhiger geworden war.
„Aber ja, der Wiedererweckte! Der große König von ‚ Agoulmois ‘!“
„Ja, und? Hier herrscht nicht Agul-na-dings!“
„Aber das System von Agoulmois ist eben ‚ Pasua ‘! Es wird regieren zur guten Zeit! Seht her, es wird alles wahr werden.“
Wie eine Hexe hob die Alte nun ihre mageren Arme, deren Handgelenke aus den fast kahlen Ärmelenden des Persianermantels ragten wie zwei bleiche Äste.
Alles schwieg beklommen, nur der Kater auf Muttchens Schoß fing begeistert zu schnurren an.
„Was gibt es da zu schnurren?“ grollte das Weib und sie zog den Persianer enger um ihre magere Brust.
Der Bursche musste darüber schon wieder losprusten, mühte sich aber, seinen Lachkrampf ein wenig einzudämmen.
„Es ist nur so lustig“, quietschte er hervor. „Was aber auch alles in die Hajeps hineininterpretiert wird! Mal sind es Schlangenmenschen, Insektenwesen, Schleimwesen oder sogar Roboter ohne Herz und Seele.“
„Oder Spinnen!“ krächzte Tobias dazwischen.
„Urg, ich mag keine Spinnen“, keuchte Julchen.
„Äh … hm, dabei glaube ich, dass die Hajeps den Menschen sogar ähnlich sind“, stellte der Mann einfach in den Raum. „Denn sie brauchen Nahrung. Sie haben riesige Gewächshäuser. Brauchen Wesen aus Blech Pflanzen?“
„Doch für Kraftstoffe!“ rief jemand aus der Menge.
Alles stutzte, aber dann wurden sie so lebhaft, dass man kaum sein eigenes Wort verstehen konnte, denn jeder hatte plötzlich mit jedem seine Beobachtungen über Hajeps auszutauschen. Draußen zog indes ein nicht gerade anheimelndes Bild vorbei. Es waren die kahlen, düsteren Wände des Tunnelgewölbes.
Die Insassen waren so miteinander beschäftigt, dass keiner bemerkte, wie es plötzlich vom Verdeck des kleinen Abteils her in kurzen Abständen polternd hinunterdröhnte, wie das Licht über ihnen rhythmisch flackerte.
Kapitel 5
Da der Kater wegen des dämmrigen Lichtes ganz vorzüglich sehen konnte, hatte er hinter der Scheibe so etwas wie einen grünen, vom Verdeck abgerutschten Fuß entdecken können.
Munk blinzelte jetzt genauer dort hin. War das nun bloß so ein dämlicher Fuß oder gar ein verirrtes ‚Flatterpiepsbällchen‘?
Munk hatte Hunger und so entschied er sich für die letzte, ausgesprochen leckere Möglichkeit. Er blieb zwar ganz ruhig sitzen, doch der Schwanz peitschte arbeitsam hin und her. Sollte er nun gegen die Scheibe springen und somit Frauchen auf die Beute aufmerksam machen oder nicht? Aber das Schicksal hatte ihm die Entscheidung abgenommen, weil das zappelnde “Etwas “ sofort wieder verschwunden war.
Oben polterte es noch unangenehmer, als ob mehrere Füße über das Verdeck des Waggons laufen würden. Munks spitze Ohren zuckten verdrießlich.
Aha, es schienen wohl recht wuchtige Geschöpfe zu sein! Sie waren vermutlich vorhin auf das Verdeck des Zuges gesprungen … kein zartes Flatterbällchen also! Jammerschade! Er beleckte sich bei diesem trübsinnigen Gedanken das schwarz-weiße Barthaar, rollte sich dann aber wieder für ein Nickerchen zusammen.
Sein unbefellter Geschlechtsgenosse zweibeiniger Art hatte wohl nicht ganz die Natur, über einige Dinge des Lebens einfach hinwegzusehen, denn er konnte sich, obschon er die gleichen Beobachtungen gemacht hatte, überhaupt nicht mehr entspannen.
Er brach sogar in Schweiß aus, holte sich nach raschen und prüfenden Seitenblicken unauffällig ein kleines Tüchlein aus der Tasche seiner Jacke und betupfte sich mit bebenden Fingern die Stirn. Gott sei Dank hatte niemand außer ihm und diesem alten Kater das grün behaarte, nackte Bein dort oben gesehen. Für einen Moment hatte er wahnsinnige Angst gehabt, die grässliche Katze würde fauchend gegen die Scheibe springen und so alle Menschen auf das dramatische Geschehen aufmerksam machen.
Er krauste nun die dunklen Brauen und verstaute das leicht nach seinem Lieblingsrasierwasser duftende Tuch wieder. Er atmete kaum und lauschte. Warum waren Worgulmpf und seine Freunde da oben nur so laut? Gab es etwa wieder Unstimmigkeiten, oder was konnte geschehen sein? Den Sprung von den Stangen, die aus dem zerbröselten Mauerwerk des Tunnels herausragten, auf das Verdeck des vorbeifahrenden Zuges, hatten sie ja ganz
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