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Das Licht der Phantasie

Das Licht der Phantasie

Titel: Das Licht der Phantasie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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sicher ein neuer Tag begonnen. Zum Teufel mit den Flugvorschriften: Ich sorge dafür, daß wir höher steigen. Haltet euch fest.«
    »Woran?« fragte Rincewind unsicher.
    »Nun, gebt einfach zu verstehen, daß ihr nicht gern herunterfallen wollt«, antwortete Belafon. Er holte ein großes, eisernes Pendel unter seiner Robe hervor und schwang es mehrmals über dem Feuer hin und her.
    Dunstfetzen huschten an ihnen vorbei, und in Rincewind entstand das unangenehme Gefühl, plötzlich doppelt so schwer zu sein. Unmittelbar im Anschluß daran erreichte der Felsen hellen Sonnenschein.
    Er verharrte einige Meter über den faserigen Nebelschwaden, unter einem kühlen, aber wunderbar blauen Himmel. Die Wolken – während der vergangenen Nacht schienen sie unerreichbar fern gewesen zu sein, und am Morgen stellte sich heraus, daß sie nicht etwa aus weicher Watte bestanden, sondern aus klammer, nasser Kälte – bildeten einen weiten Teppich, der sich in alle Richtungen erstreckte. Einige Berggipfel ragten wie Inseln daraus empor. Hinter dem Felsen zog der Fahrtwind eine tiefe Furche ins dichte Weiß. Der Felsen selbst… Er glänzte bläulich, war etwa neun Meter lang und drei Meter breit.
    »Was für ein erstaunliches Panorama«, sagte Zweiblum bewundernd. »Äh, was hält uns oben?« fragte Rincewind.
    »Überzeugungskraft«, erwiderte Belafon und wrang den Saum seiner Robe aus.
»Oh«, machte Rincewind und hielt klugerweise den Mund. »Es ist nicht weiter schwer zu verhindern, daß fliegende Felsen zu Boden stürzen«, bemerkte der Druide, streckte den Arm aus, hob den Daumen und visierte einen fernen Berg an. »Problematisch wird’s erst bei der Landung.«
    »Das sollte man eigentlich nicht meinen, oder?« kommentierte Zweiblum.
»Überredungskunst ist die Antriebskraft des Universums«, stellte Belafon fest. »Was für ein Unsinn, alles mit Magie zu erklären.«
    Rincewind starrte gerade durch eine besonders dünne Wolke und erblickte weit unten eine schneebedeckte Landschaft. Er ahnte, daß er sich in Gesellschaft eines Verrückten befand, doch er hatte ausreichend Gelegenheit gehabt, sich an solche Dinge zu gewöhnen. Wenn er in Sicherheit war, solange er dem übergeschnappten Druiden zuhörte, so war er ganz Ohr.
    Belafon setzte sich und ließ die Beine über den Rand des Felsens baumeln.
    »Ihr solltet euch keine Sorgen machen«, riet er. »Wenn ihr dauernd glaubt, der Felsen dürfe gar nicht fliegen, so hört er euch vielleicht, schließt sich eurer Meinung an und gibt euch recht – was unter den gegebenen Umständen nicht sonderlich begrüßenswert wäre, oder?« Belafon seufzte. »Offenbar seid ihr nicht an positives Denken gewöhnt.«
    »Wahrscheinlich nicht«, erwiderte Rincewind nervös. Er versuchte, alle Vorstellungen zu verdrängen, die am Boden liegende Steine betrafen, sich statt dessen auszumalen, wie große Felsen fröhlichen Schwalben gleich dahinsegelten, die herrliche Schwerelosigkeit genossen und mit den Wolken tanzten…
    Noch nie zuvor hatte er seinen Mangel an Phantasie mehr bedauert.
     
     
    D ie Druiden der Scheibenwelt waren sehr stolz auf ihre modernen Forschungen, bei denen es um die Mysterien des Universums ging, und sie rühmten sich, in dieser Hinsicht schon achthundertneunzehn Antworten auf fünfhundertdreiundvierzig Fragen gefunden zu haben. Wie ganz normale Druiden glaubten sie an die essentielle Einheit des Lebens, die Heilkraft von Pflanzen und den natürlichen Wechsel der Jahreszeiten. Darüber hinaus vertraten sie die tolerante Ansicht, all diejenigen, die solchen Wundern nicht mit der richtigen Einstellung begegneten, verdienten es, auf dem Scheiterhaufen zu schmoren. Sie hatten lange und gründlich über das eigentliche Fundament der Schöpfung nachgedacht und folgende Theorie entwickelt:
    Die richtige Funktionsweise des Universums, so behaupteten sie, basiere auf dem Gleichgewicht von vier Elementarkräften: Zauber, Überzeugungskraft, Ungewißheit und Verdammte Sturheit.
    Sonne und Mond umkreisten die Scheibenwelt deshalb, weil man sie überredete, nicht herunterzufallen – und Ungewißheit hinderte sie daran, einfach fortzufliegen. Zauber erlaubte es Bäumen zu wachsen, und aufgrund Verdammter Sturheit fielen sie nicht um. Diese Liste ließe sich beliebig fortsetzen.
    Einige Druiden klagten über gewisse Ungereimtheiten in dieser Theorie, doch die weisesten unter ihnen wiesen großzügig darauf hin, im Gebäude ihrer Anschauungen gebe es durchaus Zimmer, in denen man ruhige

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