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Das Licht der Phantasie

Das Licht der Phantasie

Titel: Das Licht der Phantasie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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nehmen und es mit einem schlichten Mondritual versuchen…«
    »Na schön, na schön. Mit den Steinen ist alles in Ordnung. Nur das Universum spielt verrückt…«
    Im Erschöpfungsnebel hinter Rincewinds Stirn formten sich Erinnerungsbilder, die ihm einen gräßlichen, roten Stern zeigten. In der vergangenen Nacht war das Universum übergeschnappt.
    Was hatte ihn nach dem Sturz vom Rande der Welt auf die Scheibe zurückgebracht?
    Der Zauberer gewann den Eindruck, daß sich die Antworten in seinem Kopf verbargen – und daß noch etwas anderes die Szene weiter unten beobachtete. Durch seine Augen.
    Der Zauberspruch verließ sein Versteck in den dunklen Labyrinthen von Rincewinds Bewußtsein, saß frisch, fromm, fröhlich, frei im vordersten Hirnrang und knabberte mentales Popcorn.
    Der Magier versuchte, ihn zurückzudrängen – und die Welt um ihn herum löste sich auf…
    Finsternis umgab ihn, warme, muffige Schwärze. Die Dunkelheit eines Grabes. Rincewind kam sich plötzlich wie eine Mumie vor, die seit Jahrtausenden darauf wartete, aus einem Sarkophag befreit zu werden. Er roch modriges Leder und altes Pergament, das raschelte. Er zweifelte nicht daran, daß die Finsternis unvorstellbare Schrecken bereithielt – und das Problem mit unvorstellbaren Schrecken bestand darin, daß man sie sich nur allzu leicht vorstellen konnte…
»Rincewind«, ertönte eine Stimme, die so klang, als unternähme eine Eidechse erste Sprechversuche.
    »Äh«, erwiderte er. »Ja?«
Die Stimme kicherte – ein seltsames Geräusch, wie knisterndes Papier. »Du solltest eigentlich fragen: ›Wo bin ich?‹«, sagte sie.
»Ich bin mir nicht sicher, ob ich das wissen möchte«, brummte Rincewind. Er versuchte, die Dunkelheit mit seinen Blicken zu durchdringen. Allmählich gewöhnten sich seine Augen an die Finsternis, und nach einiger Zeit glaubte er etwas zu erkennen – etwas Vages, das matt glühte und in der Schwärze vor ihm seltsame Linien bildete. Es wirkte sonderbar vertraut.
    »Na gut«, sagte er schließlich. »Wo bin ich?«
    »Du träumst.«
    »Kann ich jetzt bitte aufwachen?«
    »Nein«, meldete sich eine zweite Stimme, so alt und trocken wie die erste, aber doch ein wenig anders.
    »Wir müssen dir eine sehr ernste Mitteilung machen«, verkündete ein drittes Etwas, das noch leichenartiger klang. Rincewind nickte verwirrt. Im hinteren Gewölbe seines Bewußtseins lag der Zauberspruch auf der Lauer und spähte vorsichtig über die mentale Schulter des Magiers.
    »Du hast uns ziemliche Probleme bereitet, junger Rincewind«, fuhr die Stimme fort. »Wie kann man nur über den Rand der Welt fallen, ohne vorher um Erlaubnis zu fragen? Weißt du, wir mußten die ganze Realität verändern.«
    »Meine Güte.«
    »Und jetzt erwartet dich eine bedeutsame Aufgabe.«
    »Oh. Meinetwegen.«
    »Vor vielen Jahren sorgten wir dafür, daß sich einer von uns in deinem Kopf versteckte, denn wir sahen voraus, daß du eines Tages eine recht wichtige Rolle spielen würdest.«
    »Ich? Warum?«
    »Du läufst dauernd weg«, ließ sich eine der anderen Stimmen vernehmen. »Und das ist gut so. Du verstehst es, zu überleben.«
    »Zu überleben? Lieber Himmel, ich weiß gar nicht mehr, wie oft ich fast gestorben wäre.«
    »Eben – fast.«
    »Oh!«
    »Aber versuch bitte nicht, noch einmal über den Rand der Scheibe zu fallen. Das können wir nicht zulassen.«
    »Wer ist wir?« fragte Rincewind zögernd.
Es raschelte in der Dunkelheit.
    »Zu Anfang war das Wort«, sagte eine knochentrockene Stimme rechts hinter ihm.
»Nein, das Ei«, widersprach eine andere. »Ich erinnere mich genau. Das Große Ei des Universums. Ein wenig ledrig.«
    »Wenn ihr’s wissen wollt: Ihr irrt euch beide. Ich bin sicher, es war der primordiale Schleim.«
    Eine Stimme neben Rincewinds Knie meinte: »Nein, der kam erst später. Zuerst wölbte sich das Firmament. Ins Unendliche. Ziemlich klebrig, wie Zuckerwatte. Sogar sirupartig, wenn ihr mir diesen Ausdruck gestattet…«
    »Falls sich jemand dafür interessiert…«, erklang eine knarrende Stimme dicht unter Rincewinds linkem Ohr. »Ihr liegt alle völlig daneben. Zu Anfang war das Große Räuspern…«
    »… und dann das Wort…«
    »…nein, der Schleim…«
    »Entschuldigt bitte: ein ledriges Ei…«
    Kurze Stille folgte, bevor jemand schlichtend bemerkte: »Nun, was auch immer es gewesen sein mag: Wir erinnern uns genau daran.«
    »Allerdings!«
    »Und ob.«
    »Und wir müssen das bewahren, was auf den Anfang folgte,

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