Das Licht der Phantasie
Gespräche und wissenschaftliche Debatten führen könne. Was jedoch nichts daran änderte, daß die Kritiker bei der nächsten Sonnenwende in einem großen Zeremonienfeuer verbrannten.
» D u bist also Astronom?« fragte Zweiblum.
»O nein«, widersprach Belafon, als der Felsen langsam an der gewölbten Flanke eines hohen Berges vorbeischwebte. »Ich bin Berater in Sachen Computer-Hardware.«
»Computer-Hardware? Was ist das?«
»Nun, dies hier«, sagte der Druide und stampfte mit dem Fuß auf bläulich glänzendes Gestein. »Zumindest ein Teil davon. Es handelt sich um eine neue Komponente, und meine Aufgabe besteht darin, sie zu liefern. Offenbar gibt es einige Probleme mit den großen Schaltkreisen drüben in der Wirbel-Ebene. So heißt es jedenfalls. Ach, ich wünschte, ich bekäme ein silbernes Amulett für jeden Anwender, der es versäumt, das Benutzerhandbuch zu lesen.« Er zuckte mit den Schultern.
»Zu was nützt ein Steincomputer?« fragte Rincewind, um sich von der Tiefe abzulenken.
»Nun, damit kann man zum Beispiel die… die Jahreszeit feststellen«, sagte Belafon.
»Ah. Du meinst, wenn sich Schneewehen darauf bilden, ist Winter?«
»Ja. Das heißt, nein.« Der Druide suchte nach den richtigen Worten. »Angenommen, man möchte wissen, welcher Stern wo aufgeht…«
»Warum?« fragte Zweiblum und zeigte höfliches Interesse.
»Nun, stellt euch vor, ihr wollt den richtigen Zeitpunkt für die Saat bestimmen«, fuhr Belafon fort und begann zu schwitzen.
»Ich könnte dir meinen Almanach leihen«, bot sich Zweiblum an. »Almanach?«
»Ein Buch mit einem genauen Kalender«, erklärte Rincewind müde.
»Du könntest es bestimmt gut gebrauchen.«
Belafon versteifte sich. »Ein Buch?« wiederholte er. »Mit Seiten aus Papier?«
»Ja.«
»Das klingt nicht sehr eindrucksvoll«, entgegnete der Druide abfällig. »Auf welche Weise soll ein Buch die einzelnen Tage bestimmen? Papier kann doch nicht zählen.«
Er stapfte zum vorderen Ende – zum Bug – des Felsens, der daraufhin bedrohlich schwankte. Rincewind schluckte und winkte Zweiblum zu sich heran.
»Hast du schon mal was von Kulturschock gehört?« flüsterte er ihm zu. »Das Wort höre ich jetzt zum erstenmal.«
»So etwas geschieht, wenn irgendwelche Leute fünfhundert Jahre lang versuchen, einen Steinkreis richtig zu programmieren – und dann jemand mit einem kleinen Buch kommt, in dem es für jeden Tag eine Seite gibt, mit überaus klugen Hinweisen wie ›Heute sollte man dicke Bohnen pflanzen‹, ›Morgenstund hat schlechten Geschmack im Mund‹ und ›Zeitig aus dem Bett und ein frühes Abendbrot – das macht einen Mann gesund, reich und rasch tot‹. Und weißt du, was man in Hinsicht auf Kulturschocks keinesfalls vergessen…« – Rincewind legte eine kurze Pause ein, um Luft zu holen, verlor den Faden und wiederholte den Satz mit zitternden Lippen –, »…darf?«
»Nein.«
»Man bewahre einen Druiden davor, der einen tausend Tonnen schweren Felsen fliegt.«
» I st er weg?«
Trymon spähte furchtsam über die bröckeligen Zinnen des Kunstturms, der, wie bereits erwähnt, die anderen Gebäude der Unsichtbaren Universität überragte. Weit unten standen Dutzende von Schülern und magischen Unterweisern, und sie nickten zögernd.
»Seid ihr ganz sicher?«
Der Schatzmeister hob die Hände, formte damit einen Trichter vor dem Mund und rief: »Vor einer Stunde durchbrach er die Mittwärtstür und floh!«
»Falsch«, erwiderte Trymon. »Wir sind geflohen. Der Koffer verschwand einfach. Nun, ich glaube, ich kann meinen… Beobachtungsposten jetzt verlassen. Hat die Kiste sonst noch jemanden erwischt?«
Der Schatzmeister schluckte. Er war kein Zauberer, sondern ein gutmütiger, fröhlicher Mann, der durch die jüngsten Ereignisse nicht nur seinen Humor verloren hatte, sondern auch so wichtige Eigenschaften wie Zuversicht, Optimismus und den Glauben an eine gut geordnete Welt. Natürlich geschah es dann und wann, daß kleine Dämonen, bunte Lichter und halb materialisierte Trugbilder über den Campus wanderten, doch der unerbittliche Angriff des Koffers nährte seinen Argwohn, daß in der Unsichtbaren Universität nicht mehr alles mit rechten Dingen zuging. Der Versuch, der Truhe Einhalt zu gebieten, wäre ebenso erfolgversprechend gewesen wie der Ringkampf mit einem Gletscher.
»Sie… sie hat den Dekan der Freien Studien verschluckt, Herr«, antwortete er.
Trymon strahlte. »Alles hat seine guten Seiten«,
Weitere Kostenlose Bücher