Das Licht der Phantasie
mehr als sieben Zentimeter langen Mäusen!«
»Was?« brachte Trymon hervor.
»Diese Stelle erforderte ziemlich aufwendige Forschungen«, erklärte Galder. »Insbesondere, was die Mäuse angeht. Äh, wo war ich stehengeblieben. Ah, ja…«
Erneut hob er die Arme. Trymon beobachtete ihn und befeuchtete sich geistesabwesend die Lippen. Der alte Narr konzentrierte sich tatsächlich, richtete seine Aufmerksamkeit allein auf den Zauberspruch und beachtete den jüngeren Magier nicht mehr.
Worte der Macht hallten durchs Zimmer, prallten von den Wänden ab und versteckten sich hinter Bücherregalen und Reagenzgläsern. Trymon zögerte.
Galder schloß die Augen, und sein Gesicht drückte Ekstase aus, als er die letzten Silben flüsterte.
Trymons Pulsschlag beschleunigte sich, als seine Finger erneut nach dem Messer tasteten. Und Galder öffnete ein Auge, nickte ihm zu und schleuderte ihm eine thaumaturgische Faust entgegen, die den jüngeren Zauberer mitten auf der Brust traf und an die Wand schleuderte.
Galder zwinkerte ihm zu – Trymon trug es unter ›väterlicher Tadel‹ ein, zusammen mit einer gedanklichen Notiz, Galders Hirn dafür zwei Jahre lang in Essig schwimmen zu lassen – und streckte die Hände aus.
»Zu mir, ihr Geister…«
Irgend etwas krachte, gefolgt von implodierendem Licht und einer Sekunde vollständiger physikalischer Ungewißheit, während der sich selbst die Wände zu ducken schienen. Trymon hörte einen zischenden Atemzug, dann ein dumpfes, massives Pochen.
Und schließlich Stille.
Nach einiger Zeit kroch Trymon hinter dem Stuhl hervor und klopfte sich den Staub von der Hose. Er pfiff leise vor sich hin – eine Melodie, bei der sich jedem Barden die Haare gesträubt hätten –, wandte sich mit übertriebener Vorsicht der Tür zu und starrte zur Decke, als bemerke er sie jetzt zum erstenmal. Seine Bewegungen schienen den Weltrekord für gemütliches Schlendern brechen zu wollen.
Der Koffer hockte in der Mitte des magischen Kreises und hob den Deckel.
Trymon verharrte an Ort und Stelle. Zögernd und ganz, ganz langsam drehte er sich um, fürchtete sich vor dem, was sich seinen Blicken darbot.
Die Kiste schien nichts weiter als saubere Wäsche zu enthalten, die nach Lavendel duftete. Trotzdem war Trymon so entsetzt wie noch nie zuvor in seinem Leben.
»Nun, äh«, brummte er nervös. »Du, äh, hast hier nicht zufällig einen anderen Zauberer gesehen?«
Dem Koffer gelang es irgendwie, noch bedrohlicher zu wirken. »Oh«, sagte Trymon und schluckte. »Nun, äh, macht nichts.« Mit zitternden Fingern zupfte er am Saum seiner Robe und fand vorü
bergehend Interesse an den Stickmustern. Als er wieder aufsah, war die Truhe immer noch da.
»Auf Wiedersehen«, sagte er und rannte los. Er schaffte es gerade rechtzeitig, die Tür hinter sich zuzuschlagen.
» R incewind?«
Der Zauberer schlug die Augen auf. Was allerdings nicht viel nützte. Der Unterschied bestand nur darin, daß er vorher Schwärze gesehen hatte und jetzt strahlendes Weiß erblickte – was überraschenderweise alles schlimmer zu machen schien.
»Fühlst du dich wohl?«
»Nein.«
»Oh!«
Rincewind setzte sich auf und kam zu dem Schluß, auf einem teilweise mit Schnee bedeckten Felsen zu sitzen, der sich jedoch nicht dort befand, wo er eigentlich hingehörte. Um nur ein Beispiel zu nennen: Er bewegte sich, und dadurch schöpfte Rincewind sofort Verdacht.
Schneeflocken tanzten um ihn herum. Zweiblum stand neben ihm, und diesmal brachten seine Züge aufrichtige Besorgnis zum Ausdruck.
Rincewind stöhnte. Sein Körper liebte es nicht, so rauh und grob behandelt zu werden wie im Knusperhäuschen und während des Fluges mit dem Besen, und nun erhob er auf unangenehme Weise Protest. »Was jetzt?« fragte der Zauberer.
»Erinnerst du dich? Als wir unterwegs waren und ich dich darauf hinwies, wir könnten in der Dunkelheit gegen irgendein Hindernis prallen… Du hast mir geantwortet, in dieser Höhe käme nur eine mit Steinen vollgestopfte Wolke in Frage.«
»Und?«
»Woher hast du das gewußt?«
Rincewind drehte den Kopf und musterte die Umgebung, die eine ebenso interessante Vielfalt bot wie das Innere eines Pingpongballs.
Der Stein unter ihm war… nun, steinhart. Als er mit der Hand über die kalte Oberfläche strich, fühlte er ein deutliches Zittern, so als würde der Fels mit Hammer und Meißel bearbeitet. Der Zauberer streckte sich lang aus, preßte das Ohr auf den Granit und hörte ein leises, langsames
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