Das Licht der Phantasie
Sonnenschirme, Strand und kühle Drinks.
»Nun, das hoffe ich jedenfalls«, antwortete der Magier und fragte sich, ob seine Drüsen ihren Spaß hatten – ganz gleich, wo sie sich auch befanden. »Manchmal bin ich mir nicht mehr ganz sicher. Wo sind wir hier?«
»Dies ist das Haus des Todes«, sagte die Frau.
»Aha«, kommentierte Rincewind. Er befeuchtete sich seine trockenen Lippen. »Nun, war nett, dich kennengelernt zu haben. Ich glaube, ich sollte jetzt besser gehn…«
Sie klatschte in die Hände. »Oh, nein, das kommt überhaupt nicht in Frage!« erwiderte sie. »Wir haben hier nur selten lebendige Leute zu Gast. Tote sind schrecklich langweilig, findest du nicht auch?«
»Äh, ja«, bestätigte Rincewind zögernd und warf einen nervösen Blick in Richtung Tür. »Ich vermute, es mangelt ihnen an Gesprächsstoff, nicht wahr?«
»Es heißt immer nur ›Als ich noch lebte…‹ und ›Ach, damals konnten wir noch richtig atmen…‹.« Sie legte ihm eine schmale weiße Hand auf die Schulter und lächelte. »Sie sind in ihren Gewohnheiten so festgefahren. Man kann sich überhaupt nicht richtig mit ihnen unterhalten. Zu förmlich.«
»Stur und steif?« vermutete Rincewind, während ihn die junge Frau durch den Korridor zog.
»In der Tat. Wie heißt du? Mein Name ist Ysabell.«
»Äh, ich bin Rincewind. Entschuldige bitte, aber wenn dies das Haus des Todes ist… was machst du dann hier? Du scheinst mir nicht tot zu sein.«
»Oh, ich lebe hier.« Sie musterte ihn eingehend. »Du bist nicht zufällig gekommen, um deine verstorbene Geliebte zu retten, oder? Von solchen Leuten hält mein Vater nicht viel. Er meint, es sei ein großer Vorteil, daß er nie schläft: andernfalls würde er immer wieder vom Gepolter junger Helden geweckt, die sich hier die Klinke in die Hand geben, um irgendwelche törichten Mädchen zurückzuholen.«
»Hier herrscht wohl ein ziemlicher Betrieb, was?« erkundigte sich Rincewind unsicher, als sie durch den Flur schritten. An den Wänden hingen – natürlich – schwarze Vorhänge.
»Fast immer. Ich finde es sehr romantisch. Allerdings wissen die wenigsten, daß man nicht zurücksehen darf, wenn man das Haus verläßt.«
»Warum denn nicht?«
Ysabell zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. Ist wohl kein besonders hübscher Anblick. Bist du ein Held?«
»Äh, nein. Wohl kaum. Überhaupt nicht, um ganz ehrlich zu sein. Ich meine, eher noch weniger. Ich bin nur gekommen, weil ich nach einem Freund suche«, fügte er kläglich hinzu. »Hast du ihn vielleicht gesehen? Ein kleiner Dicker, der dauernd redet, eine Sonnenbrille trägt und sich komisch kleidet?«
Als er diese Worte aussprach, begriff er allmählich, einen wichtigen Punkt übersehen zu haben. Er schloß die Augen und rief sich die letzten Bemerkungen Ysabells ins Gedächtnis zurück. Die Erkenntnis traf ihn mit der Wucht eines Schmiedehammers.
»Dein Vater?«
Ein wenig verlegen senkte sie den Blick. »Nun, er hat mich adoptiert«, erwiderte sie. »Er fand mich, als ich noch ein kleines Kind war. Ist eine sehr traurige Geschichte.« Ihre Miene erhellte sich wieder. »Komm, ich stelle dich ihm vor. Zwar hat er heute abend Besuch, aber bestimmt wird er dich gern empfangen. Er pflegt nur selten Umgang mit Lebenden. Was auch auf mich zutrifft«, fügte sie hinzu.
»Tut mir leid für dich«, sagte Rincewind. »Habe ich das alles richtig mitgekriegt? Wir sprechen vom Tod, oder? Hochgewachsen, dürr, um nicht zu sagen knochig, leere Augenhöhlen, hat viel für Sensen übrig?«
Ysabell seufzte. »Ja. Ich fürchte, sein Aussehen spricht gegen ihn.«
Es ist nicht unerwähnt geblieben, daß Magie für Rincewind ungefähr das war, was ein Fahrrad für eine Hummel war: böhmische Dörfer. Andererseits kam jedem Zauberer, selbst dem ungeschicktesten und inkompetentesten, ein ganz bestimmtes Privileg zu: Im Augenblick des Todes durfte er erwarten, daß der Tod höchstpersönlich kam, um die von körperlichen Bürden befreite Seele zu holen. In solchen besonderen Fällen wurde diese Aufgabe nicht an einen niederen mythologischanthropomorphischen Diener delegiert, wie es üblicherweise geschieht. Aufgrund seiner ausgeprägten Unfähigkeit hatte es Rincewind mehrmals nicht geschafft, zum richtigen Zeitpunkt zu sterben, und wenn der Tod irgend etwas nicht ausstehen konnte, so war es Unpünktlichkeit.
»Äh, weißt du, bestimmt hat sich mein Freund nur irgendwo verirrt«, sagte er. »Das passiert ihm dauernd. Kann rechts nicht von
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