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Das Licht der Phantasie

Das Licht der Phantasie

Titel: Das Licht der Phantasie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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Bilder anzufertigen!« stieß er hervor. »Präg dir einfach alles ein!«
    »Das ist nicht das gleiche«, hielt ihm der Tourist gelassen entgegen. »Es ist sogar noch viel besser und realistischer!«
    »Nein, keineswegs. Wenn ich alt bin, zu Hause am prasselnden Feuer sitze und meinen Enkeln…«
    »Wenn wir uns nicht sputen, wirst du für immer und ewig in einem Feuer schmoren!«
    »Ich will stark hoffen, daß ihr nicht beabsichtigt, uns zu verlassen!«
    Die beiden Männer drehten sich um. Ysabell stand im Flur und lächelte dünn. In der einen Hand hielt sie eine Sense, die besonders scharf zu sein schien. Rincewind versuchte, nicht auf sein blaues Lebensband zu blicken. Seiner Ansicht nach sollte eine junge Frau mit einer Sense nicht auf hintergründige, wissende und verunsichernde Weise lächeln.
    »Offenbar ist mein Vater derzeit beschäftigt, aber ich glaube, es wäre ihm gar nicht recht, wenn ihr einfach geht«, sagte sie. »Außerdem habe ich niemanden, mit dem ich sprechen kann.«
    »Wer ist das?« fragte Zweiblum.
»Sie lebt hier, in gewisser Weise«, murmelte Rincewind. »Ist eine Art Mädchen«, fügte er hinzu.
    Er griff nach dem Arm des Touristen und versuchte, sich so unauffällig wie möglich der Tür zu nähern, den dunklen und kalten Garten zu erreichen. Es klappte nicht, hauptsächlich, weil sich Zweiblum hartnäkkig weigerte zu verstehen und davon ausging, ihm könne ohnehin nichts zustoßen.
    »Freut mich, dich kennenzulernen«, erwiderte der Tourist höflich. »Ein hübsches Haus«, fuhr er anerkennend fort. »Die Knochen und Totenschädel haben einen bemerkenswert barocken Effekt.«
    Ysabells Lächeln wuchs in die Breite, und Rincewind dachte voller Unbehagen: Wenn Tod sich irgendwann einmal in den Ruhestand zurückziehen sollte, kann er seine Geschäfte getrost der adoptierten Tochter überlassen. Bestimmt ist sie noch weitaus besser als er – weil sie nicht mehr alle Tassen im Schrank hat.
    »Ja, aber leider müssen wir uns jetzt verabschieden«, sagte er laut.
    »Davon will ich nichts hören«, erwiderte Ysabell. »Ihr müßt bleiben und mir von euch erzählen. Es ist so schrecklich langweilig hier, und wir haben jede Menge Zeit.«
    Die junge Frau sprang zur Seite, holte mit der Sense aus und zielte auf die glühenden Lebensfäden. Die scharfe Klinge heulte wie ein kastrierter Kater – und verharrte abrupt.
    Holz knarrte: Der Koffer hatte nach der Sense geschnappt. Zweiblum warf Rincewind einen erstaunten Blick zu.
    Und der Zauberer zögerte nicht, traf eine rasche Entscheidung und rammte dem Touristen, nicht ohne eine gewisse Befriedigung, die Faust ans Kinn. Als der kleine Mann nach hinten fiel, fing Rincewind die erschlaffende Gestalt auf, warf sie sich über die Schulter und rannte los.
     
     
    S terne funkelten über dem finsteren Garten, und Zweige schlugen ihm ins Gesicht. Kleine, zottlige und ziemlich gräßliche Geschöpfe stoben davon, während der Magier dem trüben Leuchten des blauen Bandes folgte, das sich durch rauhreifweißes Gras zog.
    Ein schriller Schrei der Wut und Enttäuschung tönte aus dem Gebäude. Rincewind prallte von einem Baum ab und stürmte weiter.
    Irgendwo gab es einen Pfad, so erinnerte er sich. Aber in dem Labyrinth aus Licht, Schatten und dem scharlachroten Glanz des neuen Sterns, der auch in der Jenseitswelt Unheil ankündigte, suchte er vergeblich nach einem Weg. Hinzu kam, daß der Lebensfaden in die falsche Richtung zu weisen schien.
    Hinter ihm erklang das Geräusch von Schritten. Rincewind schnappte keuchend nach Luft. Offenbar stammte das Trippeln von den Füßen des Koffers, doch derzeit stand ihm nicht der Sinn nach einer Begegnung mit der Truhe. Vielleicht verstand sie ihn völlig falsch, was den Fausthieb anging, der ihren Eigentümer ins Reich der Träume geschickt hatte. Für gewöhnlich biß die Kiste Leute, die ihr suspekt waren. Der Zauberer hatte nie den Mut besessen, zu fragen, was mit den Betreffenden geschah, wenn sich die Klappe über ihnen schloß. Doch in einem Punkt bestand kein Zweifel: Wenn sich der Deckel wieder öffnete, blieben sie spurlos verschwunden.
    Wie sich kurz darauf herausstellte, brauchte sich Rincewind überhaupt keine Sorgen zu machen. Der Koffer überholte ihn mühelos, und die winzigen Füße bewegten sich so schnell, daß man sie kaum auseinanderhalten konnte. Der Magier gewann den Eindruck, daß sich die Truhe ausschließlich aufs Rennen konzentrierte, als ahne sie, was weiter hinten auf sie lauerte. Und

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