Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Licht der Toten: Roman (German Edition)

Das Licht der Toten: Roman (German Edition)

Titel: Das Licht der Toten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cyrus Darbandi
Vom Netzwerk:
Strecke gebracht, und möglicherweise war er jetzt einfach an der Reihe. Nun, so wie er lebte und arbeitete, mit dieser irrsinnigen Besessenheit, war es wohl kein Wunder, er hatte sich selbst auf diese Abschussliste gesetzt. Und wenn es so ist? Kleber war auch nach einer Auszeit zurückgekommen, oder? So etwas passiert eben.
    So etwas passiert uns Bullen ständig.
    Warum solltest du die eine glorreiche Ausnahme sein?
    Levy sagte: »Ich kenne einen tollen Arzt, einen in diesen Dingen sehr erfahrenen Mann. Ich rede nicht von einem Polizeipsychologen, weil du zu dem ohnehin nicht gehen würdest.«
    »Ich denk drüber nach.«
    »Warum überzeugt mich das nicht?«
    Abraham quälte sich zu einem Lächeln.
    »Also, vermisst du es?«
    »Was, wen?«
    »Israel.«
    »In diesen Tagen … wie der Teufel die Hölle«, sagte Levy und sie lachten. »Berlin ist anders … mein Leben ist anders … ja, ich vermisse Israel, in etwa so wie man seine Kindheit vermisst, aber das hier ist jetzt mein Zuhause. Ich fühle, dass ich hierhergehöre. Und jetzt sag mir, warum du plötzlich auf Israel kommst.«
    Abraham erzählte Levy von dem letzten Sommer, den die Familie Abraham dort verbracht hatte, Ende der 70er Jahre.
    »Unsere Großmutter lag im Sterben, und wir verbrachten die Tage damit, ihr beizustehen. Ich kann mich daran erinnern, dass Mutter mit Vater darüber diskutierte, ob wir nicht komplett dort bleiben. Ich glaube, er hatte das eine Zeitlang sogar in Erwägung gezogen.«
    »Hätten du und Robert das gewollt?«
    »Robert ganz bestimmt nicht. In West-Berlin war sein ganzer Freundeskreis, dort waren unsere Wurzeln. Er konnte sich nicht vorstellen, irgendwo anders zu leben. Was mich anging … ichwar zu klein, um mir eine eigene Meinung zu bilden. Israel war cool … trotz der ständigen Kriege, und richtig schlimm mit dem Terror wurde es erst später. Ich denke an meinen Vater, Ben. Es war das letzte Mal, dass wir ihn so richtig für uns hatten. Er war immer schon ein in sich gekehrter Mann. Wenn man zu ihm sprach, dann zu jemandem, der hinter einer Tür stand und auch so klang, gedämpft und verborgen. Manchmal überlege ich, ob er seine Dämonen dort besser im Griff gehabt hätte.«
    »Du glaubst, er hätte in Israel nicht angefangen zu morden?«
    »Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass wir uns ihm so nahe fühlten wie lange nicht. Er war ein strenger Vater, weißt du. Aber dort drüben, in diesem flirrenden Sommer, in der Zeit des Abschiednehmens, da war er ganz weich … als wäre sein Panzer aufgebrochen. Als wäre er in diesen Wochen von einer Last befreit. Als wäre der Terror, der in ihm wütete, neutralisiert. Aber vielleicht bilde ich mir nur ein, dass Israel ihm und uns guttat. Er war ein deutscher Jude, unsere Familie ist mit jedem Nebenzweig, der noch existiert, über ein halbes Dutzend Länder verteilt. Mit seiner Mutter sprach er Deutsch, weil sein Hebräisch ganz schrecklich klang. Er hätte seine Arbeit aufgeben müssen … es wäre ein großer Schritt gewesen.«
    »Frank, dein Vater hätte auch dort gemordet.«
    »Ja. Wahrscheinlich.« Und ich wäre heute vielleicht ein Polizist in Israel, dachte er.
    »Wir sind nie wieder dorthin zurückgekehrt«, sagte Abraham mit belegter Stimme. »Nie wieder … weder Robert noch ich.«
    Aber vielleicht eines Tages … wenn ich einen Ort brauche, um zur Ruhe zu kommen, dachte er. Um mich zu erinnern. Um mich an alles zu erinnern.
    Ihre Wagen waren eingeschneit, und sie verbrachten die nächsten Minuten damit, sie von der Schneedecke zu befreien. Levy umarmte Abraham. Dann wurde er wieder ernst und sagte:
    »Du wirst zu ihr gehen, nicht wahr?«
    Er sprach von Lydia Beenhakker.
    »Ja.«
    »Du gehst als Polizeibeamter zu ihr hin.«
    »Wie meinst du das?«
    Levy sagte: »Ich bin nicht total verblödet, Frank. Ich habe gemerkt, dass da etwas zwischen euch ist. Die Art von Blicken, die ihr miteinander ausgetauscht habt …«
    »Was soll das schon bedeuten?«
    »Eine Menge, wenn zwei Menschen aufeinandertreffen, die in ihrer Kindheit und Jugend extreme Erfahrungen gemacht haben. Manchmal glaubt man dann im anderen etwas zu sehen, etwas wiederzufinden …«
    Abraham klopfte seinem Freund auf die Schulter.
    »Es ist gut, Ben. Ich weiß das zu schätzen, wirklich.«
    Levy sagte: »Du neigst dazu, dich in gewisse Dinge zu verbeißen wie ein Bullterrier.«
    »Wenn du damit Mord meinst, gebe ich dir recht.«
    »Du bist ein hoffnungsloser Fall.«
    »Nur einer von vielen in dieser

Weitere Kostenlose Bücher