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Das Licht der Toten: Roman (German Edition)

Das Licht der Toten: Roman (German Edition)

Titel: Das Licht der Toten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cyrus Darbandi
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ab.
    »Wäre schön, wenn es so einfach wäre, die Gedanken dieser Leute auf diese Weise loszuwerden«, sagte Abraham. »Das Problem dabei ist nur, dass sie dir nicht an den Fingern kleben bleiben, sondern in deinem Kopf.«
    Sie schwiegen eine Zeitlang, dann nahmen sie jeder noch einen Kaffee, und Levy berichtete, was er über Lydia Beenhakker herausgefunden hatte. Die harten, bekannten Fakten wusste Abraham schon von Kleber, trotzdem lauschte er jedem Wort seines Freundes. Wenn er mit Lydia sprach, würde er ihre Version mit der offiziellen abgleichen.
    »Ich würde sagen, sie besitzt einen starken Überlebenswillen. Wie die meisten, die so eine Kindheit überstehen. Nicht jeder von ihnen geht vor die Hunde, obwohl sie allen Grund dazu hätten. Das Schlimmste daran ist noch nicht einmal die Verwahrlosung und der körperliche sowie seelische Missbrauch – das Schlimmste ist der Verlust jeglicher Sicherheit. Es gibt keine Sicherheit mehr, keinen geschützten Raum, es ist, als offenbare sich dir die Welt als ein eisiger, dunkler und apokalyptischerOrt, in dem deine Eltern deine wahren Feinde sind und alle anderen Menschen entweder nichts davon wissen wollen oder ihnen egal ist, was mit dir geschieht.«
    Abraham dachte lange darüber nach. Dachte auch über sich selbst nach.
    »Was immer du auch vorhast, du solltest, wenn du sie nach ihrer Vergangenheit fragst, sehr behutsam vorgehen. Äußerlich gesehen scheint sie stabil, aber tatsächlich bleiben die meisten von ihnen ihr Leben lang fragil. Die Leben, die sie führen, liegen im Gegensatz zu denen der anderen auf abschüssigem Terrain. Es ist nicht sicher dort, aber sie würden niemals von dort wegziehen. Sie haben sich an den Abhang, den Abgrund gewöhnt. Sie können mit ihm leben.«
    »Ihr Bruder konnte es nicht.«
    »Zuletzt nicht, ja. Aber davor schon – sehr lange sogar.«
    Sie traten hinaus in eine erstarrte Winterlandschaft. »Vermisst du Israel?«, fragte Abraham unvermittelt.
    »Wie kommst du denn jetzt darauf?«, erwiderte Levy. »Eben unterhalten wir uns noch über Psychopathen und misshandelte Kinder und plötzlich …«
    »Keine Ahnung. Es schwirrte mir eben im Kopf rum.«
    Abraham stockte, machte einen leicht verwirrten Eindruck. Geschunden und ausgelaugt, dachte Levy. Er blieb stehen und sah ihn besorgt an.
    »Wir haben noch nie über Israel gesprochen, Frank, und wir kennen uns jetzt schon sehr lange. Ehrlich gesagt, ich mache mir Sorgen um dich … du hast ein paar harte Monate hinter dir, deine Trennung von Erin, die Entlassung deines Vaters, und ich sehe doch, dass du angeschlagen bist. Mir brauchst du nichts vorzumachen. Was ist mit dir los? Und komm mir nicht mit einer Midlife-Crisis, dafür bist du nicht der Typ.«
    »Ich bin nur müde«, wehrte Abraham ab.
    »Damit gebe ich mich nicht zufrieden.«
    »Ich stelle dir eine Frage und bei dir schrillen sofort die Alarmglocken, das ist nicht fair.«
    »Ich bin eben sehr sensibel.«
    »Du schneidest Tote auf.«
    »Gerade deswegen.«
    Abraham nickte, und sein Blick wanderte von Levy über die Häuserfassaden gen Himmel und wieder zurück.
    »Ich … ich habe irgendwie meine Mitte verloren«, sagte er. »Vielleicht ist es alles wirklich zu viel. Momentan komme ich mir irgendwie … ich komme mir falsch vor. Es ist nichts Körperliches … es ist eher hier drin.« Er tippte sich an die Brust. »Als wäre ich mit mir selbst fehlbesetzt. Eine Imitation. Nicht wirklich.«
    Levy sagte: »Wie in dem Donald-Sutherland-Film ›Die Körperfresser kommen‹, so in etwa? Als hätte dich jemand ausgetauscht gegen ein emotionsloses Duplikat.«
    »Genauso.«
    »Manchmal hat man solche Tage …«, sagte Levy. »Aber man sollte sie nicht zu oft haben. Weißt du, was du da beschreibst?«
    »Sag’s mir.«
    »Eine Depression, mein Lieber.«
    Abraham sagte nichts wie »Du spinnst« oder »Ich – ich doch nicht« und das beunruhigte Levy jetzt doch. Sein Freund holte tief Luft.
    »Oder es ist nur eine Grippe«, sagte er dann. Nicht sehr überzeugend.
    Levy sagte: »Na klar, und ich bin nicht beschnitten. Du brauchst eine Auszeit, und du brauchst sie jetzt.«
    »Nicht wenn ein möglicher Serienkiller hier rumläuft.«
    »Du bist nicht der einzige fähige Polizist in Berlin, Frank. Nimm das hier nicht auf die leichte Schulter.«
    Abraham dachte an Lohmann. Die eigenen Kräfte zu verlieren und damit auch Mut, Zuversicht und Entschlossenheit, musste eine entsetzlich niederschmetternde Erfahrung sein.Sie hatte Lohmann zur

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