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Das Licht der Toten: Roman (German Edition)

Das Licht der Toten: Roman (German Edition)

Titel: Das Licht der Toten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cyrus Darbandi
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aufhörte, auf den Mistkerl einzuprügeln.
    Weil Kleber, der vor zwei Jahren einen Zuhälter, der eine Nutte mit einer Stahlrute brutal zusammenschlug, dieselbe Behandlung hatte zukommen lassen und deshalb noch mehr als Abraham auf der Abschussliste stand, diesmal Gefahr lief, endgültig gefeuert zu werden, musste Abraham ihn nach ein paar Wochen, in denen sein Partner diverse psychologische Eignungstests hinter sich brachte, persönlich bei »denen da oben«, den graugesichtigen, mit ihren Schreibtischen verwachsenen Stimmen zurückfordern, und er tat das, indem er drohte, den »Scheißjuden« von Stieglitz öffentlich publik zu machen – etwas, was das Präsidium nun überhaupt nicht gebrauchen konnte.
    »So etwas könnte man als Erpressung bezeichnen«, bekam er zu hören.
    »Ja, und das andere als Antisemitismus.«
    »Ach kommen Sie, der Kollege war betrunken.«
    »Das war Kleber ebenfalls, als er sich Stieglitz vornahm.«
    »Kleber ist als gewalttätig bekannt.«
    »Und Stieglitz als Rassist. Scheint so, als könnten wir auf beide nicht verzichten, denn abgesehen von ihren persönlichen Defiziten sind sie beide gute Ermittler, und davon gibt’s viel zu wenige in dieser Stadt und weiß Gott, wir brauchen jeden einzelnen, selbst die Arschlöcher unter ihnen, und was sagt uns das nun über den Zustand unserer Polizei?«
    »Soll das eine Frage sein? Ständig Ihre Fragen. Ich wünschte, Sie würden nicht alles hinterfragen, sondern einfach Ihre Arbeit erledigen.«
    »Wenn Sie damit auf meine Aufklärungsquote anspielen: Lässt die zu wünschen übrig?«
    »Nein.«
    »Tja, und was das Andere angeht … nehmen Sie mir meine Marke und ich bin weg.«
    »So meinen wir das nicht.«
    »Aber ich.«
    Also kehrte Kleber zurück; und das war beileibe keine Selbstverständlichkeit. Zu viele gingen vor die Hunde, gelähmt und hilflos angesichts der Forderungen des Jobs. Es gab Kollegen, die nach einer solchen Auszeit nicht mehr in den aktiven Dienst zurückfanden. Abraham begegnete ihnen manchmal in ihren winzigen Büros, in denen sich ihre Augen über Computermonitore quälten, Anzeigen aufnahmen, Akten ordneten. Gute Männer, die sich als gescheitert ansahen, als Versager, ihre Augen hatten sich in blinde Spiegel verwandelt, und er fragte sich, ob sie morgens im Badezimmer noch den eigenen Anblick ertrugen.
    Lohmann, sein Ausbilder und Mentor, hatte dies nicht mehr geschafft.
    Abraham hatte ihn eines Tages in einer dieser schäbigen Absteigen gefunden, in der sie früher zusammen Drogentote, Ermordete oder Selbstmörder unter Betten hervorgezogen hatten.Lohmann hatte sich nicht in seiner Wohnung getötet, sondern an einem dieser finsteren Orte, an denen er sein ganzes Berufsleben verbracht hatte. Konsequent, dachte Abraham, und der Schmerz und die Erschütterung wirkten auf ihn ein wie ein betrunkener Kneipenschläger. Er nahm alles direkt körperlich wahr und krümmte sich, als hätte man ihm in den Unterleib getreten. Sein ehemaliger Mentor lag in der Badezimmertür, der Spiegel, in dem Lohmann sein ausgezehrtes, lebensmüdes Gesicht zum letzten Mal betrachtet hatte, war zerschossen.
    Der zweite Schuss hatte dann ihn selbst ausgelöscht.
    Er hatte sich die Pistole in den Mund gesteckt – »die Waffe fressen« nannten sie das untereinander, in einer Mischung aus Verzweiflung und Galgenhumor, für die jemand außerhalb ihrer Welt kein Verständnis aufbrachte.
    Alles, was er je gewesen war, sein Wissen, seine Hartnäckigkeit und Unbestechlichkeit, sein Vertrauen und Verständnis, war von Einsamkeit niedergerungen und klebte trostlos an der muffigen Wand dieser hässlichen Absteige.
    »Irgendetwas an meinem Haus zieht diese Typen an«, maulte der Besitzer, als er pikiert auf die Leiche starrte, »jedenfalls war das hier schon der Vierte in fünf Jahren. Wer macht mir jetzt die Wand sauber?«
    Abraham packte den frechen Kerl am Kragen und sagte: »Wie wär’s, wenn du Arschloch auf deinen Tonfall achtgibst. Hier liegt ein Mensch und kein Typ, zeig ein wenig Respekt, denn dieser Mann hier hat ein solches Ende nicht verdient. Und was die Wand angeht, ja, sehr hässlich, aber irgendwie gibt das deinem Drecksloch doch ein wenig mehr Atmosphäre, meinst du nicht auch?«
    Der Kerl bohrte sich daraufhin einen Finger in sein rechtes Ohr, förderte Schmalz zutage und starrte es wie einen Goldnugget an. Er sagte: »Ihr Ton gefällt mir überhaupt nicht. Vielleicht sollte ich mich über Sie beschweren.«
    »Und vielleicht sollte ich mir

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