Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Licht der Toten: Roman (German Edition)

Das Licht der Toten: Roman (German Edition)

Titel: Das Licht der Toten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cyrus Darbandi
Vom Netzwerk:
müssen da rauf.«
    »Er hat die Tür aufgebrochen, sehen Sie.«
    Der Hausmeister, ein Kerl Ende fünfzig, dessen Haar so schmutzig-grau wie seine Gesichtsfarbe war, wedelte mit seinem Schlüsselbund herum.
    Tatsächlich.
    Die Frage war nur, wie? Phelps selbst schien ein eher schwächlicher Mann gewesen zu sein. Und die Tür, die zum Dach führte, war recht massiv. Dennoch: ihr Schloss war aufgebrochen.
    »Früher lungerten hier die Teens rum. Soffen, hörten Musik. Da musste man energisch werden. Vor ein paar Jahren hat man hier Handymasten angebracht. Hässliche Dinger, richtige Krebsschleudern. Ich komm denen jedenfalls nicht zu nahe.«
    Abraham überließ es Kleber, sich das Gerede des Hausmeisters anzuhören. Etwas zog ihn unerbittlich lockend an den Rand des Abgrunds. Die Kollegen von der Spurensicherung hatten die Stelle markiert, von der Phelps mutmaßlich gesprungen war. Als er dorthin ging, kam es ihm vor, als trete er mit jedem Schritt erneut in die Fußspuren des Toten, als nähme er seinen Platz ein. Und er dachte: Gehen wir denn nicht unser Leben lang in den Fußspuren anderer?
    Und in wessen Fußspuren war Phelps hierhin geschritten, um sich selbst aus dieser Welt zu entfernen?
    Abraham stand an der Kante und blickte nach unten, so wie er eben noch von dort nach oben geschaut hatte. Seine zeitvertauschten Blicke kreuzten sich.
    »Boss, sei vorsichtig da …« Klebers Stimme schien von weit her zu kommen. Tatsächlich verspürte Abraham einen Taumel.
    Was ist es, das einige von uns immer an den Rand zieht, dorthin, wo wir dem Taumel, dem Schwindel schutzlos ausgeliefert sind? Der Wind fuhr ihm von hinten in den Rücken. Seine langen Mantelschöße schlugen um seine Beine.
    Abraham hielt dem Abgrund stand. Da unten waren die Menschen nichts mehr als wuselnde Ameisen im Blick eines Riesen. Und er dachte, dass es ebenso viel Mut wie Verzweiflung brauchte, um den letzten Schritt zu tun.
    »Boss.«
    Abraham trat einen Schritt zurück. Kleber deutete auf Carola Gottwald, die zu ihnen eilte. Ihre langen Haare verfingen sich im Wind, fächerten über ihr Gesicht, zwangen sie dazu, sich einen Zopf zu binden.
    »Wir haben was«, sagte sie, noch ein wenig atemlos. »Unser Mann war nicht zufällig hier. Er hat hier jemanden aufgesucht, wir haben einen Zeugen. Wir wissen auch, in welcher Wohnung er war.«
    »Habt ihr die schon überprüft?«
    »Es öffnet niemand, aber der Zeuge schwört Stein und Bein, dass jemand da sein muss. Unser Mann wurde eingelassen, und er kam alleine wieder heraus.«
    Um dann hier hoch zu kommen, die Tür aufzubrechen und sich in den Tod zu stürzen. Was war dem vorausgegangen? Was hatte ihn aus der Bahn geworfen?
    Abraham sagte: »Welche Wohnung?«

KAPITEL
VIER
    Die Bewohnerin hieß Margot Beenhakker.
    Ihre Wohnung lag im vierten Stock. Sie klingelten, sie klopften, sie riefen ihren Namen, umsonst, hinter der Tür regte sich nichts. Kleber sah Abraham an, zuckte mit den Schultern.
    »Sie müsste da sein«, sagte er.
    »Die ist da, ganz sicher«, sagte der Nachbar, Groschek, ein Frührentner, der in der Wohnung gegenüber lebte. Er stand bei ihnen, gespannt, aufgeregt.
    Wenn man Bulle ist, dachte Abraham, dann entwickelt man im Laufe der Zeit ein Gespür dafür, wenn etwas nicht in Ordnung ist. Man lernt, den Klang der Stille wie eine fremde Musik zu unterscheiden; die Stille der Einsamkeit, die Stille bloßer Abwesenheit, die Stille des Todes.
    »Und Sie haben also gesehen, wie ein Mann die Wohnung verlassen hat«, fragte Abraham. Eifriges Nicken.
    »Wäre nicht das erste Mal«, sagte Groschek.
    »Inwiefern?«
    »Sie hatte öfters Männerbesuch. Wechselnd.«
    Kleber sagte: »Wollen Sie damit eine gewerbsmäßige Tätigkeit von Frau Beenhakker andeuten?«
    Groschek grinste. Er sah aus wie ein wildes Frettchen.
    »Die ’ne Nutte? Kaum, so wie die aussieht. Ein Wrack. Eine Säuferin. Na ja, davon gibt’s hier so einige«.
    »Sie scheinen ja gut Bescheid zu wissen.«
    »Was soll ich sonst machen? An die Wand starren?« Kleber warf Abraham einen Blick zu. Was für ein Arsch. Groschek, glücklich darüber, aus dem Sud der Bedeutungslosigkeit aufzusteigen, sagte: »Die lungerte in den Parks rum. Soff sich durch den Tag. Hat dann so Kerle angeschleppt … Trinker, Gesindel. Fällt hier aber kaum auf. Und Streit hat’s dann gegeben. Da flogen öfters mal die Fäuste, wenn die sich imRausch gegenseitig bekriegt haben. Die Streife war auch schon hier.«
    Kleber sagte zu Carola: »Überprüf das

Weitere Kostenlose Bücher