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Das Licht der Toten: Roman (German Edition)

Das Licht der Toten: Roman (German Edition)

Titel: Das Licht der Toten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cyrus Darbandi
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mal deine Geschäftsbücher ansehen, vor allem die Abrechnungen über die Nutten, die ihre Freier hier bedienen, weiß das Finanzamt eigentlich davon?« Das reichte, um dem Kerl das Maul zu stopfen. Abraham versuchte, Ekel angesichts solcher Menschen zu empfinden, fand aber, dass selbst dies schon zu viel Aufmerksamkeit für dieses Arschloch war.
    Lohmann war so alleine gestorben, wie er gelebt hatte. Seine Frau war schon lange tot, und sein Sohn war dabei, eine Karriere als Investmentbanker in den Staaten zu starten. Als man ihn über den Selbstmord seines Vaters informierte, wies er seiner Sekretärin nur an, einen Blumenstrauß zu schicken. Er steckte gerade in einer größeren Transaktion fest und hatte für solche ungeplanten Störungen kein Verständnis.
    Es waren Abraham und einige andere Mordermittler, die das Begräbnis ausrichteten. Jemand, der mit Lohmann in den alten Tagen zusammen angefangen hatte, sprach ein paar Worte, danach begnügten sich die Wenigen, die gekommen waren, in einer Kneipe, in der Lohmann seine letzten Nachmittage verbracht hatte, einen zu heben. (Von den Vorgesetzten ließ sich übrigens keiner blicken – immerhin hatte Lohmann sich die Kugel gegeben, was nicht gerade Werbung für das Polizistendasein war und ihnen dementsprechend unangenehm. Wieso hatte er verdammt nochmal nicht wie jeder andere auch an einem Infarkt oder Krebs sterben können? »Weil er die Waffe besaß und genug Selbstachtung, sich nicht vor einen Zug zu werfen. Und davon mal abgesehen, war er einsam und ausgebrannt, und er fühlte sich nutzlos«, sagte Abraham später zu einigen Kollegen, »und keiner von uns Helden hat ihn je besucht, weil wir zu beschäftigt sind, mörderischen Scheißkerlen, die ihre Kinder totprügeln oder im Suff ihre Oma skalpieren, um den nächsten Block nachzujagen.«)
    »Zumindest hat er nicht leiden müssen«, sagte einer der Kollegen, »das war ein wirklich guter Schuss, nicht wahr?«
    Ja, wirklich sehr tröstend, dachte Abraham, aber woher wissen wir denn, ob seine Hand nicht gezittert hat, während sich die Sekunden vor der Entscheidung ins Unendliche ziehen, bis sie in einem letzten klaren und reinen Moment zusammenfallen.
    Zuletzt hoben sie das Glas auf Lohmann, während ein belangloser Schlager von der Schönheit der Welt erzählte, was ihnen allen in diesem Moment wie ein grotesker Witz vorkam.
    Kleber nun hatte einstweilen den Weg zurückgefunden, angeschlagen, mit angekratzter Ehre, ein Schiffbrüchiger, der sich auf einem Stück Treibholz über Wasser hielt. Abraham hatte sich insgeheim geschworen, auf ihn aufzupassen, denn ein nochmaliger Aussetzer wäre Klebers Ende im aktiven Dienst.
    »Was bleibt mir denn dann noch? Höchstens ein Job als Wachmann, und jeder zweite Wachmann ist ein Exbulle, stell dir das mal vor, die Typen könnten glatt eine Scheißarmee aufstellen. Und das zu reduzierten Bezügen, wer braucht denn so was?«
    Kleber klang dabei schnoddrig wie immer, aber seine Stimme vibrierte vor Angst und Unsicherheit.
    Es war noch früh am Morgen, deshalb konnten sie sich der Illusion hingeben, die Sonne würde es heute vielleicht noch schaffen, sich durch das Betongrau des Himmels zu bohren. Aber natürlich wussten sie es besser. Da war nichts zu machen.
    In der anderen Sache, die zerschmettert vor ihnen lag, ebenso wenig.
    »Wenn du mich fragst, ich sehe das so: Er dachte, er könnte fliegen«, sagte Kleber, »aber als er erstmal in der Luft war, fiel ihm wieder ein, dass an seinen Seiten Arme baumeln und keine Flügel.«
    Abraham blickte nach oben. Der Wohnklotz hinter ihnen war eine Zumutung, irgendein betongrauer, angeödeter Stadtplanerhatte sein Innenleben in Architektur umgesetzt und dieses Verbrechen an Lebensqualität und Schönheit wie ein Serientäter durch die halbe Stadt gezogen; noch einer, den wir nicht finden, dachte Abraham.
    Der Tote lag unter einer Plane, die die Kriminaltechniker über ihn ausgebreitet hatten. Stative mit starken Lampen waren aufgebaut, die Umrisse des Toten mit Kreide nachgezeichnet. Männer und Frauen in weißen Overalls, die Tatortfotos schossen, Spuren sicherten, Schaulustige in der näheren Umgebung hinter die Absperrungen drängten; die Routine einer Todesermittlung.
    »Wissen wir, wer er ist? Wohnte er hier, oder was?«
    »Tja, nicht direkt«, sagte Kleber und reichte Abraham einen Pass.
    »Stefan Phelps, Ende dreißig, jetzt pass auf: wohnhaft in Melbourne, Australien.«
    Das heißt, wir müssen die australische Botschaft

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